Die Liebesgaben sind am Ziel

Von Sabine Tenta

Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs reisten Euskirchener Politiker mit Liebesgaben an die Front nach Frankreich. 100 Jahre später haben sich drei Oldtimer auf die gleiche Reise gemacht – eine Versöhnungsfahrt mit Hindernissen. Inzwischen sind sie angekommen.

Zwei Overland-Oldtimer fahren auf einer Landstraße in der Eifel

Am Mittwoch (01.10.2013) drehen sich in der Eifel etliche Passanten um, Autofahrer verlangsamen die Fahrt auf den Landstraßen und schauen neugierig auf drei rollende Schmuckstücke: Zwei Oldtimer der Marke Overland, Baujahr 1910 und 1912 und ein Ford T aus dem Jahr 1911 sind im Konvoi unterwegs. Es ist keine Schönwetter-Fahrt, sondern eine Reise, die an den Ersten Weltkrieg erinnert. "Fahrt gegen das Vergessen" ist das Motto der Oldtimer-Tour. Organisiert wird sie vom LVR-Freilichtmuseum Kommern.

Am Mittwoch (01.10.2013) drehen sich in der Eifel etliche Passanten um, Autofahrer verlangsamen die Fahrt auf den Landstraßen und schauen neugierig auf drei rollende Schmuckstücke: Zwei Oldtimer der Marke Overland, Baujahr 1910 und 1912 und ein Ford T aus dem Jahr 1911 sind im Konvoi unterwegs. Es ist keine Schönwetter-Fahrt, sondern eine Reise, die an den Ersten Weltkrieg erinnert. "Fahrt gegen das Vergessen" ist das Motto der Oldtimer-Tour. Organisiert wird sie vom LVR-Freilichtmuseum Kommern.

Auftakt ist am Mittwochmorgen auf dem Marktplatz von Euskirchen. Denn dort starteten vor genau 100 Jahren Euskirchener Politiker zu einer Liebesgaben-Fahrt.

1914 fuhren die Eifeler mit drei Overlands an die Front nach Frankreich. Im Gepäck hatten sie Geschenke für die Soldaten: warme Kleidung, Rauchwaren, Würste und Schokolade. Der Sound war damals wie heute der gleiche: ein sattes Knattern und Blubbern.

Walter Lippert ist aus Schweinfurt angereist, um an dieser Wiederauflage der Liebesgaben-Fahrt teilzunehmen. Er ist Mitglied im "Allgemeinen Schnauferl Club". Das ist keine Vereinigung von Pfeifenrauchern, sondern von Oldtimer-Freunden. Seit 25 Jahren fährt er einen Overland Baujahr 1912 und schätzt ihn wegen seiner Robustheit. Mit Kindern und Hund nutzt er den Wagen, "denn das ist ja schließlich ein Fahrzeug und kein Stehzeug."

Vor den drei Oldtimern und ihren Begleitfahrtzeugen liegt eine Fahrt von knapp 350 Kilometern. Und zwar "auf eigener Achse", wie es im Oldtimer-Jargon heißt, und nicht etwa auf einem Anhänger. Alle drei Fahrzeuge gehören zur sogenannten Messingklasse. Dieser Overland, Baujahr 1910, hat 30 PS unter der Motorhaube und fährt in der Spitze 80 Kilometer pro Stunde. Aber die Wohlfühlgeschwindigkeit liegt zwischen 40 und 50 km/h.

Dieter Uebler hat den Wagen vor sieben Jahren in den USA für umgerechnet rund 40.000 Euro gekauft. Er geht oft mit ihm auf Tour. Aber diese Reise nach Frankreich ist für ihn etwas Besonderes: "Ich bin ein Nachzügler", schickt er als Bemerkung vorneweg, um zu erklären, dass sein Vater bereits im Ersten Weltkrieg gekämpft hat. "Er war irgendwo in Frankreich, wo genau weiß ich nicht. Aber vielleicht komme ich durch Orte, wo er auch war."

1914 stapelten sich in den Autos die Liebesgaben. 2014 liegen auf der Rückbank eines Overland nur symbolische Kartons. Damit die Versöhnungsfahrt auch im übertragenen Sinne ankommt, hat das Team auf Geschenke verzichtet, die überheblich wirken könnten. Stattdessen ist ein Scheck im Gepäck für die Gemeinde Sommepy-Tahure, dem Ziel der Reise. Er soll die Renovierung eines Weltkrieg-Gedenkraums im Rathaus des Ortes unterstützen.

Mit Muskelkraft werden die Wagen angekurbelt und die Reise kann beginnen.

Die Tour führt von Euskirchen über die Eifel und Luxemburg nach Frankreich. Dabei folgen die Oldtimer weitgehend der historischen Route. Auch der Zeitaufwand ist ähnlich: Das Team wird drei Tage fahren und plant am Freitag (03.10.2014) am Ziel zu sein.  

1914 kannte sich die Reisegesellschaft aus Euskirchen. 2014 sind ebenfalls gute Bekannte unterwegs. Der Kreis der Overland-Besitzer in Deutschland ist sehr überschaubar: Dass es vier Overland gibt, können die Herren verbürgen, von einem fünften haben sie mal gehört, aber den haben sie noch nicht gesehen. Kleine Wartezeiten unterwegs nutzen die Oldtimer-Freaks gerne zum Fachsimpeln neben der geöffneten Motorhaube.

Nach nur 17 Kilometern Fahrt wird der Konvoi abrupt gestoppt. Zuerst geht der Overland von 1910 in die Knie und dann seine Begleiter: Wer einen Oldtimer fährt, ist auch ein begnadeter Schrauber und kann selbst Hand anlegen. Ist die Kupplung kaputt? Ist das etwa knapp hinter Euskirchen schon das Ende für einen der drei Wagen?

Nein, es ist lediglich eine Schraube locker. Nach einer kleinen Reparatur schnauft der Oldtimer wieder flott weiter und meistert souverän die Steigungen in der Eifel.

Aber am liebsten mögen die drei Oldies die flachen Ebenen. Dann rollen sie mühelos über die Landstraßen.

Nach knapp 50 Kilometern legt das Team die erste Pause ein. Wilfried Roth, der Eigentümer des Ford T, lässt bevor er den Motor abstellt, noch den wunderbar quäkenden Klang seiner Hupe ertönen.

An der Landesgrenze von NRW, in der Nähe von Dahlem, verlassen wir die Tour. Das Team hat versprochen, uns weitere Fotos zu schicken. Und tatsächlich ...

Am Donnerstag kommt der Konvoi wohlbehalten in Luxemburg-Stadt an und übergibt seine Liebesgaben: eine Spende für das "Cent Kaufhaus" und Marmelade. Da hat die Mannschaft schon eine aufregende Stunde hinter sich, weil der Oldtimer wieder schwächelt. Aber er hält durch - noch.

Jede Menge Schaulustige drängeln sich um die Autos, fahren darf aber nur dieser Polizist. Schließlich sind es seine Kollegen, die dafür sorgen, dass das Team heil aus der Stadt herauskommt. Hinter der französischen Grenze geht es erstmal in eine Oldie-Werkstatt. Aber alles Expertenwissen hilft nichts: Die Zündspule tut es nicht mehr. Also kommt der Overland auf den Hänger. Die anderen fahren mit gemütlichen 40 Stundenkilometern auf der Route National nach Sommepy-Tahure.

Dort gibt es Geld für den "Erinnerungsraum" und Schokolade für die Kinder: Mission erfüllt! Dass die kleinen Franzosen mit den Deutschen durch den Ort kurven durften, war das Tüpfelchen auf dem I.

Danach werden die Schätzchen auf vier Rädern gut verpackt, am Samstag (04.10.2014) geht es huckepack wieder nach Hause. Aber am Freitagabend gibt es erstmal ein großes deutsch-französisches Fest. Wer hätte das 1914 für möglich gehalten?

Stand: 03.10.2014, 16:42 Uhr