Diskussion um Stromerzeugung

Energieversorger drohen mit Stilllegungen

Stand: 16.07.2013, 13:13 Uhr

Die meisten Gas- und Steinkohlekraftwerke in NRW schreiben rote Zahlen, behaupten die Betreiber. Schuld sei das Gesetz für Erneuerbare Energien, das Strom aus Wind und Sonne übermäßig bevorzuge. Nun drohen die Konzerne, Kraftwerke still zu legen.

Von Ingo Neumayer

Wie lange das Heizkraftwerk in Wuppertal-Barmen in diesem Jahr schon still steht, kann Holger Stephan nicht aus dem Stegreif sagen. "Vielleicht seit April? Das müsste ich nachschauen", so der Sprecher der Wuppertaler Stadtwerke, die das Gaskraftwerk betreiben. Fest steht: Über den Sommer wird das Kraftwerk stillgelegt, wann es wieder in Betrieb genommen wird, ist unklar. Schon 2012 wurde der Betrieb im Sommer ausgesetzt. Und die Situation habe sich nicht verbessert, so Stephan: "Es ist einfach zu bestimmten Zeiten unwirtschaftlich geworden, das Kraftwerk zu betreiben. Gerade im Sommer drückt so viel Ökostrom in den Markt, dass wir keine andere Wahl haben." Die Belegschaft ist in der Ruhephase mit Wartungsarbeiten beschäftigt oder wird in anderen Betrieben der Stadtwerke eingesetzt. "Entlassen wird deshalb niemand", sagt Stephan, der Wuppertal nicht als Einzelfall sieht: "Das Problem hat die ganze Branche."

"Dramatisch schlechte Lage"

Eine Einschätzung, die Markus Moraing bestätigt. Er ist Geschäftsführer der NRW-Landesgruppe des Verbandes der kommunalen Unternehmen (VKU) und vertritt über 300 Mitglieder, darunter viele Stadtwerke. Wie viele kommunale Kraftwerke in NRW derzeit stillgelegt sind oder auf Niedrigbetrieb gefahren werden, kann er nicht genau sagen. Wuppertal-Barmen sei aber kein Einzelfall, so Moraing: "Nahezu alle Kraftwerke schreiben rote Zahlen oder ganz knapp eine schwarze Null. Die Lage ist dramatisch schlecht." Schuld an der Lage habe das Gesetz für Erneuerbare Energien (EEG), so Moraing: "Der Strom aus erneuerbaren Energien wird weit über dem Marktpreis vergütet und hat auch noch Vorrang bei der Einspeisung." Bei gutem Wetter, wenn viel Strom über Fotovoltaik-Anlagen erzeugt wird, komme es immer öfter vor, dass die komplette Stromlast durch erneuerbare Energien abgedeckt werde.

RWE will Kapazitäten herunterfahren

Auch beim Essener Energiekonzern RWE blickt man düster in die Zukunft, was bestimmte Kraftwerke angeht: "Aktuell ist es so, dass Gasblöcke zum aktuellen Marktpreis nicht mehr profitabel zu betreiben sind", so Konzernsprecher André Bauguitte zu WDR.de. Konkrete Folgen in Form von dauerhaft abgeschalteten Blöcken habe die Situation derzeit zwar nicht, so Bauguitte. Die Tendenz sei jedoch klar: "Die Kapazität in den nächsten Jahren wird deutlich zurückgefahren werden." Auch beim Konkurrenten Eon prüfe man die Wettbewerbsfähigkeit der Kraftwerkssparte sehr genau, so eine Konzernsprecherin zu WDR.de.

"Systemrelevante" Kraftwerke laufen zwei Jahre weiter

Allerdings lassen sich unrentable Kraftwerke nicht einfach so abschalten. Um Stromengpässe zu verhindern, müssen geplante Stilllegungen ein Jahr im Voraus beantragt werden. Der Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur überprüfen dann die "Systemrelevanz" der Anlage und haben die Möglichkeit, den Betrieb im Bedarfsfall um zwei Jahre zu verlängern. Eine Regelung, die VKU-Geschäftsführer Moraing an "Planwirtschaft" erinnert. Die Ausbauziele des EEG wolle der Verband zwar nicht infrage stellen, "wohl aber die derzeitige Förderung". Da der Strom aus Erneuerbaren Energie nur zu bestimmten Zeiten reichlich vorhanden sei und sich zudem schwer transportieren lasse, brauche man die konventionellen Kraftwerke weiterhin als "Back-up-Lösung". Dies müsse, so die Forderung der Energiewirtschaft, aber auch entsprechend honoriert werden.

Die Energiewirtschaft werde in Zukunft ein neues "Design" bekommen - darin sind sich alle Kraftwerksbetreiber einig. Und auch in der Politik habe man die Problematik erkannt, so Moraing. Konkrete Änderungen seien aber nicht vor der Bundestagswahl zu erwarten. Im Herbst also. Dann läuft auch das Gaskraftwerk in Wuppertal-Barmen wieder.

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