"Koste es, was es wolle"

Kostenexplosion beim Landesarchiv-Bau

Stand: 03.12.2010, 18:30 Uhr

In einem waren sich die Fraktionen im Landtag am Freitag (03.12.2010) dann doch alle einig - die Kostenexplosion beim Bau des neuen Landesarchivs muss umfassend aufgeklärt werden, zumal ein finanzielles Ende nicht absehbar ist. Die CDU aber weist eine politische Verantwortung des beteiligten Staatssekretärs zurück.

Von Christina Hebel

Markus Töns

Markus Töns

Es war der Gelsenkirchener SPD-Abgeordnete Markus Töns, der am Freitag (03.12.10) in der Aktuellen Stunde im Landtag um den Bau des neuen Landesarchivs die entscheidenden Fragen stellte: Wie es denn bitte sein könne, dass bei niemanden - weder im landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB), der für das Land Grundstücke kauft, weder beim Finanzminister, noch in der Staatskanzlei - die Alarmglocken geschrillt hätten? Und das, obwohl die BLB für das nicht mehr genutzte Speichergebäude im Duisburger Binnenhafen im Jahr 2008 auf einmal 29,9 Millionen Euro bezahlte, wo doch ein Jahr zuvor nur zwei Millionen Euro angedacht waren. "Da hätte doch spätestens die Notbremse gezogen werden müssen", so Töns. Oder sei an dieser Stelle der politische Druck aus der Staatskanzlei, damals unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), so groß gewesen, dass die Kosten keine Rolle mehr gespielt hätten? Wollte man unbedingt einen Leuchtturm bauen?

Fraktionen - selbst FDP und CDU - wollen Aufklärung

Darauf deutet mittlerweile einiges hin. Denn das Land zahlte die fast 30 Millionen Euro für das Gelände anstandslos. Über alternative Standorte wurde wohl nicht wirklich nachgedacht, Warnungen über den Bieterstreit und die horrenden Projektkosten ignoriert. Sie liegen mittlerweile bei insgesamt rund 160 Millionen Euro. Mit der Hälfte wurde anfangs geplant: 80 Millionen Euro. Wegen dieser Kostenexplosion ermittelt inzwischen in der Sache die Staatsanwaltschaft Wuppertal wegen Korruptionsverdacht. Und alle Fraktionen des Landtags wollen aufklären, selbst die ehemaligen Regierungsfraktionen von FDP und CDU.

CDU: Verantwortung allein beim Baubetrieb

Allerdings sieht die CDU die Verantwortung allein beim landeseigenen Baubetrieb BLB, dessen Geschäftsführer seit einiger Zeit von seinen Aufgaben freigestellt ist. Schließlich habe der Baubetrieb die Kostenverantwortung - und nicht der in der Staatskanzlei für Kultur zuständige Staatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU), der das neue Landesarchiv plante, sagte der finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Christian Weisbrich.

"Maßlosigkeit in der Erwartung"

Norbert Walter-Borjans (SPD)

Norbert Walter-Borjans (SPD)

"Nebelkerzen" sind das für den SPD-Mann Töns. Er warf Weisbrich vor, es sich nun sehr einfach machen zu wollen. Schließlich waren ja zwischenzeitlich Namen wie Sir Normann Forster als Architekten von der Landesregierung genannt worden - "wer da glaubt, dass es dann billig wird, viel Spaß." Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) machte dann auch ein "Koste es, was es wolle"-Klima bei den Planern der alten CDU/FPD-Landesregierung für die Kostenexplosion verantwortlich. "Wir haben in einer nicht hinnehmbaren Weise eine Explosion von Kosten, die schlicht und ergreifend durch eine Maßlosigkeit in der Erwartung entstanden sind", so der Finanzminister. Er sprach von einem "Skandal".

Ende der "unseligen Geschichte" nicht absehbar

Er zitierte aus einem internen Vermerk von 2007 aus der Staatskanzlei. Darin heißt es, der Archiv-Bau solle "zunächst losgelöst von der Kostenrelevanz diskutiert werden". Im Finanzministerium habe es damals große Bedenken gegen das Verfahren bei dem Projekt gegeben, nur geschehen sei nichts. Und die endgültigen Kosten für das Landesarchiv seien immer noch nicht abzusehen, so Walter-Borjans am Freitag. Zwar sei das Projekt abgespeckt worden, so dass man hoffe, mit 141 Millionen Euro hinkommen zu können, aber es gebe bereits wieder eine Kostenwarnung. "Wir sind noch nicht am Ende dieser unseligen Geschichte."

Zudem betonte der Finanzminister nochmals, dass seine Behörde und die jetzige rot-grüne Landesregierung alles dafür tun werde, um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu unterstützen. Und er setzte hinzu: "Wir werden alles offen legen, was nicht der Verschwiegenheit unterliegt. Wir werden Konsequenzen ziehen und Mängel abstellen", kündigte Walter-Borjans an, der auch für die landeseigene BLB zuständig ist.

Grüne: "Systematische Aufklärung"

Auch Grünen-Haushaltsexperte Mehrdad Mostofizadeh forderte "eine systematische Aufklärung", denn es gehe ja nicht allein um das Landesarchiv in Duisburg. Auch in Zusammenhang mit anderen Grundstückskäufen durch die landeseigene BLB in Köln, Oberhausen und Bonn ermittle die Staatsanwaltschaft. "Die persönliche Schuld ist das eine, die strukturelle die andere", so der Grünen-Abgeordnete. Mögliches kriminelles Verhalten müsse ermittelt werden, sagte die FDP-Abgeordnete Angela Freimuth. An einem "Schwarzer-Peter-Spiel" werde ihre Fraktion sich aber nicht beteiligen. SPD,

Grüne und Linkspartei erwägen nun, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Landesarchiv einzusetzen. Die Sozialdemokraten wollen zuvor noch die Beantwortung von rund 60 Fragen zum Landesarchiv im zuständigen Unterausschuss "Landesbetriebe und Sondervermögen" abwarten.

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