Untreue-Prozess in Essen

Middelhoffs Abneigung gegen Stau

Stand: 28.07.2014, 15:02 Uhr

War der Stau am Kamener Kreuz ein Grund für die umstrittenen Hubschrauberflüge von Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff? Darüber hat am Montag (28.07.2014) vor dem Landgericht Essen sein damaliger Fahrer ausgesagt. Middelhoff wirkte in dem Untreue-Prozess sehr verändert.

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Vor dem Landgericht Essen wurde am Montag (28.07.2014) der Untreue-Prozess gegen den ehemaligen Arcandor-Manager Thomas Middelhoff fortgesetzt. Middelhoff wirkte angespannt im Gerichtssaal. Keine Scherze für die Verteidiger, kein Lächeln ins Publikum wie an den vergangenen Prozesstagen. Stattdessen machte er sich mit ernster Miene Notizen, schaute häufig auf sein Handy. Ein Statement abgeben wollte er nicht. Möglicherweise belasten ihn die Forderungen seiner Gläubiger, deretwegen er am Freitag (25.07.2014) Schlagzeilen machte: Vor einem Gerichtsvollzieher in Essen musste Middelhoff einen Offenbarungseid leisten und seine Vermögensverhältnisse offen legen. Es sollen mehrere Vollstreckungstitel vorliegen; nach seinen Angaben geht es insgesamt um mehr als 83 Millionen Euro. Auch für Montag war ein weiterer Vollstreckungsauftrag über 933.000 Euro angekündigt worden.

Zeugenanhörungen waren am Montag ursprünglich nicht geplant. Nach Angaben von Gerichtssprecher Johannes Hidding vernahm Richter Jörg Schmitt jedoch kurzfristig doch den langjährigen Fahrer Middelhoffs. Dieser sagte über den Manager: "Stau war das Schlimmste für ihn." Der 61-Jährige sei auch schon mal aus dem Auto ausgestiegen, um nach einer Möglichkeit zu suchen, anders ans Ziel zu kommen. Bauarbeiten am Kamener Kreuz hätten die Fahrzeit zwischen Middelhoffs Wohnort Bielefeld und der Arcandor-Zentrale in Essen deutlich verlängert.

Dienstliche Flüge wegen Stau auf den Straßen?

Diese eher nebensächlich erscheinenden Angaben des Fahrers sind deshalb interessant, weil es in dem Prozess auch um Flüge geht, die Middelhoff auf Firmenkosten mit dem Privatjet oder dem Hubschrauber unternommen hat, um zur Arbeit zu kommen. Als Erklärung hatte Middelhoff angegeben, auf der Strecke habe es wegen Bauarbeiten häufig Verzögerungen im Straßenverkehr gegeben. Die Staatsanwaltschaft Bochum wirft ihm vor, in seiner Zeit als Arcandor-Chef zwischen 2004 und 2009 den Handelskonzern mit betriebsfremden Kosten in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro belastet zu haben - auch durch Flüge, die von Arcandor bezahlt wurden, obwohl sie gar nicht dienstlich veranlasst waren. Der Karstadt-Mutterkonzern hatte vor fünf Jahren Insolvenz anmelden müssen.

Sprung aus dem Fenster

Rückblende: Nach dem Gerichtstermin am Freitag zur Klärung seiner Vermögensverhältnisse hatte Middelhoff das Essener Landgericht auf spektakuläre Weise verlassen. Um wartenden Fotografen zu entfliehen, die ihn seiner Ansicht nach "abschießen" wollten, wählte er einen filmreifen Abgang aus einem Fenster an der Rückseite des Justizgebäudes. Am Sonntag widersprach er in einem Interview Spekulationen, er stehe vor dem finanziellen Ruin. Er sei nicht pleite, so Middelhoff, komme aber an seine Liquidität nicht heran, die von der Bank Sal. Oppenheim blockiert werde. Medienberichten zufolge soll er sein Vermögen gegenüber dem Gerichtsvollzieher mit etwa 100 Millionen Euro angegeben haben.

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