Vorstandsvorsitzender Karl-Gerhard Eick spricht bei der Arcandor Hauptversammlung

Insolvenz des Handelskonzerns eröffnet

Arcandor-Chef Eick zurückgetreten

Stand: 01.09.2009, 16:07 Uhr

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Arcandor AG am Dienstag (01.09.2009) ist der Vorstandsvorsitzende Karl-Gerhard Eick von seinem Amt zurückgetreten. Neben Eick scheiden fünf weitere Vorstandsmitglieder aus dem Unternehmen aus.

Eick hatte als Nachfolger von Thomas Middelhoff ein halbes Jahr lang an der Arcandor-Spitze gestanden. Neben Eick verlassen auch fünf Vorstände das Unternehmen: Finanzvorstand Rüdiger Andreas Günther, der Chef der Touristiksparte Thomas Cook, Manny Fontenla-Novoa, Karstadt-Manager Stefan Herzberg sowie Arnold Mattschull und Zvezdana Seeger.

Wie das Unternehmen am Dienstag (01.09.2009) weiter mitteilte, wird der für die Versandhandelssparte Primondo zuständige stellvertretende Vorstandsvorsitzende Marc Sommer bleiben. Er unterstütze weiterhin den Verkaufsprozess sowie die operative Steuerung seines Verantwortungsbereichs, hieß es.

Insolvenzverfahren eröffnet

Zuvor hatte am Dienstagnachmittag das Essener Amtsgericht die Insolvenzverfahren für zunächst 21 Arcandor-Gesellschaften eröffnet. Darunter sind die Holding Arcandor AG sowie die Karstadt Warenhaus GmbH und die Primondo GmbH.

Die Insolvenz bedeutet zwar noch nicht das Aus für Arcandor und die ebenfalls insolventen Tochtergesellschaften Karstadt und Primondo/Quelle, aber der erste Rettungsversuch ist definitiv gescheitert. Nach dem im Juni gestellten Insolvenzantrag hatte Klaus Hubert Görg in seiner Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter versucht, einen "Ankerinvestor" zu gewinnen - also jemand, der das Gesamtunternehmen kauft. Dies erwies sich als unmöglich. Arcandor war ausgeblutet, stellte Görg fest: Eicks Vorgänger Thomas Middelhoff, gegen den die Staatsanwaltschaft Bochum wegen des Verdachts der Untreue ermittelt, hatte bereits die wesentlichen Vermögenswerte verkauft oder verpfändet.

Zweierlei Rosskuren

Bis Mitte November will Görg nun den Arcandor-Gläubigern ein Sanierungskonzept vorlegen. Sein Ziel sei es, "die einzelnen Handelssegmente neu zu ordnen und Investoren zu finden", sagt er. Auf Karstadt und die Primondo-Gruppe warten also verschiedene Rosskuren. Um die Warenhauskette zu retten, strebt Görg ein sogenanntes Insolvenzplanverfahren an. Dabei steht der Erhalt des Unternehmens im Vordergrund. In der Hoffnung auf künftige Gewinne müssten die Gläubiger einen Teil ihrer Forderungen zurückstellen. Auch von den Mitarbeitern wird ein Beitrag verlangt: 19 der 126 Waren- und Sporthäusern droht die Schließung. Da nicht bekannt ist, welche Standorte auf der Liste stehen, lässt sich nur schätzen, wie viele Arbeitsplätze verloren gehen - wahrscheinlich mindestens 1.000. Außerdem befürchtet der Karstadt-Betriebsrat Lohnkürzungen von bis zu zwölf Prozent.

Nach den großen finanziellen Opfern in den vergangenen Jahren könne es einen weiteren Sanierungsbeitrag der Mitarbeiter nur mit einem soliden Geschäftsplan geben, erklärte die Vize-Chefin der Gewerkschaft Verdi, Mönig-Raane, am Dienstag (01.09.2009) in Berlin. Eine "Spende" ohne nachhaltige Perspektiven komme nicht in Frage.

Noch härter als Karstadt wird es die Versandhandelssparte Primondo/Quelle treffen. 3.700 der 10.500 Jobs sollen wegfallen, was sich vor allem in der Zentrale im bayerischen Fürth auswirken wird. Statt 1.450 Quelle-Shops gibt es künftig nur noch rund 1.000, die 109 Quelle Technik Center werden komplett dichtgemacht. Diese beiden Maßnahmen kosten auch in NRW Arbeitsplätze.

Goldener Handschlag

Obwohl Karl-Gerhard Eick nur ein halbes Jahr im Amt war, stehen ihm nach Medienberichten zehn bis 15 Millionen Euro zu. Diese Summe hat er sich für den Fall zusichern lassen, dass er seinen Fünfjahresvertrag nicht erfüllt. Die Klausel sorgt bei den Mitarbeitern für gewaltigen Ärger - unüblich ist sie nicht. Top- Manager, die wie Eick einen Kamikaze-Job antreten - als solcher gilt der Arcandor-Chefposten seit längerem -, erhalten meist einen Risikoaufschlag aufs Gehalt.

Eicks engste Mitarbeiter in der Konzernzentrale in Essen fallen nicht so weich. Die Holding wird sehr wahrscheinlich geschlossen, weil sie keine Funktion mehr hat, wenn die Tochtergesellschaften verkauft sind. Von den 100 Angestellten benötigt der Insolvenzverwalter nur etwa 30, um "abzuwickeln". Bis Jahresende dürfte der letzte gehen und das Licht ausmachen - ohne Abfindung. In den operativen Gesellschaften, die das Geld verdienen, geht das Leben derweil weiter - trotz Insolvenz. Wenn Eick am Dienstag seine Schlüssel abgibt, beginnen 250 Schulabgänger ihre Ausbildung bei Karstadt. Sie wissen nicht, ob sie ihre Lehre auch bei Karstadt beenden werden, geschweige denn, was danach kommt. Im aktuellen Ausbildungsjahrgang sind Freud und Leid ungefähr gleich verteilt: Karstadt übernimmt im Herbst 300 junge Kaufleute, Systemgastronomen und Werbegestalter. 370 erhalten keinen Vertrag; sie sollen mithilfe einer Personalvermittlung anderswo unterkommen.