Beweise nicht ausreichend

Mord-Prozess gegen ehemaligen SS-Mann eingestellt

Stand: 08.01.2014, 15:54 Uhr

Am Hagener Landgericht wurde am Mittwoch (08.01.2014) das Verfahren gegen ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS eingestellt. Dem 92-Jährigen wurde vorgeworfen, an der Erschießung eines niederländischen Widerstandskämpfers beteiligt gewesen zu sein. Weil die Tat so lange zurückliegt, waren die Beweise nicht ausreichend.

In den fast 70 Jahren seit der Tat seien Beweise verloren gegangen, begründete das Landgericht Hagen die Entscheidung. Zeugen zu befragen und zu hinterfragen sei weitgehend nicht mehr möglich gewesen. Der heute 92-jährige B. konnte den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.

Die Anklage gegen den früheren SS-Mann lautete: Beihilfe zum Mord. 1944 soll er an der Erschießung eines Niederländers beteiligt gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft hatte deshalb eine lebenslange Haftstrafe beantragt. Die Verteidigung forderte hingegen einen Freispruch, weil B. von dem Vorhaben der Vorgesetzten nichts gewusst und auch nicht selbst geschossen haben soll. Die Vorsitzende Richterin nannte die Einstellung am Mittwoch (08.01.2014) eine für viele "unerwartete Entscheidung". Die Kammer gehe zwar zumindest von einem Totschlag aus. Mordmerkmale hätten aber nicht mehr nachgewiesen werden können. Der Vorwurf des Totschlags sei verjährt.

Von hinten in den Kopf geschossen

Der gebürtige Niederländer B. hatte sich während des Krieges freiwillig zur Waffen-SS gemeldet. Nach einer Verletzung während des Russlandfeldzuges wurde er in die Grenz- und Hafenstadt Delfzijl versetzt. Dort wurde am 21. September 1944 der Widerstandskämpfer getötet. Die Alliierten waren zu diesem Zeitpunkt in den Niederlanden auf dem Vormarsch. Adolf Hitler hatte kurz zuvor den sogenannten Niedermachungsbefehl gegeben.

Laut Anklage nahmen B. und ein direkter Vorgesetzter den niederländischen Widerstandskämpfer als Gefangenen im Auto mit und forderten ihn während der Fahrt dazu auf, auszusteigen. B. und sein Vorgesetzter sollen dem Mann dann von hinten in den Kopf geschossen haben. Die SS-Männer behaupteten später, der Widerstandskämpfer habe fliehen wollen. Mehrere Aussagen von Zeitzeugen wurden in dem Prozess vor dem Hagener Landgericht verlesen. Darunter die der Schwester des Opfers, sowie die einer ehemaligen Freundin von B.s Frau und einer Dolmetscherin, die bei Verhören von Widerstandskämpfern in Groningen dabei war. Sie hatte berichtet, dass Häftlinge damals auch ohne Prozess erschossen wurden.

Bereits 1980 wegen Beihilfe zum Mord verurteilt

B. war schon 1949 in den Niederlanden von einem Sondergericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Später wurde das Urteil in lebenslange Haft umgewandelt. Damals war B. bereits in Deutschland untergetaucht. Auch hier wurde er 1980 zu sieben Jahren Haft verurteilt, wegen Beihilfe zum Mord an zwei niederländischen Juden. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, weil die Anklage lediglich auf Totschlag lautete, der jedoch bereits verjährt war. Nun wurde neu verhandelt, weil die Staatsanwaltschaft inzwischen von Mord ausging, der nicht verjährt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Revision beim Bundesgerichtshof ist möglich. Die Staatsanwaltschaft will das Urteil zunächst prüfen. Der Anwalt der Nebenklägerin, der 97 Jahre alten Schwester des Opfers, will zunächst seine Mandantin über den Ausgang informieren. "Dieses Urteil wird sie sehr schockieren", sagte er.

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