Produktionshalle eines Automobilherstellers

NRW-Autoindustrie profitierte

Zuversicht nach der Abwrackparty

Stand: 02.09.2009, 16:00 Uhr

Der letzte Antrag auf die Abwrackprämie ist Mittwoch (02.09.2009) eingegangen. Für die Zeit nach der Abwrackparty beschwören Experten bereits Horrorszenarien. Autobauer, Händler und Zulieferer in NRW aber sind zuversichtlich.

Von Petra Blum

Das Ford-Werk in Köln fuhr Sonderschichten, Händler hatten plötzlich den Laden voller Kunden und Schrottplätze mussten zusätzliche Parkplätze anmieten: Die Abwrackprämie sorgte für die größte Verschrottungsorgie, die die Republik je gesehen hat. Auch NRW mit seinen Autobauern, seiner weitverzweigten mittelständischen Zulieferindustrie und seinen Händlern hat massiv von der staatlich subventionierten Sonderkonjunktur profitiert.

Jetzt, nach dem Ende des Booms, sagen Experten der gesamten Branche ein böses Erwachen voraus. Eine Million Neufahrzeuge werden Autohersteller im nächsten Jahr Prognosen zufolge insgesamt weniger in Deutschland verkaufen, mit Folgen für Händler und Zulieferer. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger sieht jeden zweiten Autohändler in Deutschland von Insolvenz bedroht. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der FH Gelsenkirchen sagt zudem den Zulieferern eine Pleitewelle voraus.

Sonderkonjunktur bei Ford

Die nordrhein-westfälische Autoindustrie sieht das Ende der Abwracksaison indessen nicht so dramatisch - allen voran der Kölner Autobauer Ford. "Die Sonderschicht im Werk Köln läuft noch, wir hatten allein zehn Sonderschichten dieses Jahr", freut sich Ford-Sprecher Bernd Meier. 2.400 zusätzliche Fiesta wurden hier gefertigt, die Ford-Mitarbeiter waren voll ausgelastet - von Kurzarbeit keine Spur. Da die Prämie vor allem spritsparende Kleinwagen förderte, konnte der Kölner Autobauer mit seinen Modellen Fiesta und Ka besonders davon profitieren. Und der Marktanteil stieg - auf Gesamteuropa gerechnet - mit mehr als neun Prozent auf den höchsten Wert seit zehn Jahren. Die Bilanz der Abwrackprämie bei Ford fällt entsprechend positiv aus: "Wir sind wesentlich stärker geworden in den Monaten Januar bis August", sagt Meier. Für die Folgezeit erwartet er für seinen Konzern keine dramatischen Folgen. "Uns wird das nicht so hart treffen", erklärt Meier. Der Grund: Der Kölner Autobauer exportiert 80 Prozent seiner Autos in andere europäische Länder - und da geht die Abwrackparty munter weiter, von Rumänien bis Frankreich befeuern die meisten europäischen Länder den Autoabsatz mit Prämien.

Auch bei Opel sieht man die Bilanz der Abwrackprämie durchwegs sehr positiv: Nicht nur der Corsa boomte, auch die in Bochum gefertigten Kompakt- bzw. Mittelklassewagen Astra und Zafira wurden verstärkt nachgefragt. "Wir konnten die Kurzarbeit in Bochum sehr einschränken, entgegen ursprünglicher Planungen", sagt Opel-Sprecher Andreas Krömer. Im September könne in Bochum sogar komplett durchgearbeitet werden.

Zulieferern droht Einbruch

Etwas anders sieht es bei den rund 770 Autozulieferern in NRW aus - die meisten davon sind Mittelständler. Vor allem Firmen, die in Besitz von Private-Equity-Gesellschaften sind - hierzulande gerne als Heuschrecken bezeichnet - haben bereits heftig mit der Krise in der Autoindustrie zu kämpfen, die meisten versuchen mit Kurzarbeit über die Runden zu kommen. Prominente Pleiten wie die des Leverkusener Zulieferers TMD Friction oder von Edscha bestätigen den Trend. Dort könnte das Ende der subventionierten Massenverschrottung zusätzliche Spuren hinterlassen. "Ohne die Abwrackprämie von insgesamt fünf Milliarden Euro und nur mit Kurzarbeit allein hätten wir den Einbruch gar nicht auffangen können", sagt Wolfgang Nettelstroth von der IG Metall-Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen.

Eine ganz so düstere Prognose für die Zukunft wie so mancher Experte will er für die NRW-Zulieferindustrie allerdings nicht zeichnen: "Irgendwann muss der Automarkt wieder greifen", sagt er. Gerade im Bereich Firmenflotten und Leasing-Wagen hofft er, dass ein Teil der Abwrack-Delle möglicherweise kompensiert werden kann. Nettelstroth erwartet, dass sich in der Zulieferindustrie verstärkt die Spreu vom Weizen trennt: "Die, die immer versucht haben, alles billiger zu machen, mit billigen Arbeitskräften, von denen werden es einige vielleicht nicht schaffen. Aber die, die auf Qualität gesetzt haben und auf noch wachsende Segmente wie beispielsweise Kompaktwagen - solche Zulieferer können auch eine Abwrack-Delle ausgleichen." Darüber hinaus hoffen auch die Zulieferer, dass der Export insgesamt wieder anspringt und somit im zweiten Schritt auch ihr Geschäft wieder stärker anzieht.

Mancher Händler hat finanzielles Polster angelegt

Ein ausgedientes Auto wird auf einen Haufen alter Autos verladen

Der alte Wagen kommt auf den Schrott

Bei den Autohändlern in NRW ist ebenfalls noch nichts von Katerstimmung zu spüren, aller Horrorszenarien zum Trotz. In NRW arbeiten rund 50.000 Menschen im Autohandel. Dieter Paust vom Landesverband des Kraftfahrzeuggewerbes NRW sieht nach dem Prämienboom zwar eine Gefahr für jene Betriebe, denen es jetzt in der Abwrack-Phase nicht gelungen ist, ein finanzielles Polster für die Zukunft aufzubauen. "Die schaffen dann einen Einbruch von 30 Prozent nächstes Jahr vielleicht nicht", sagt er. Dennoch glaubt er nicht, dass nach der Abwrackprämie sehr viele Arbeitsplätze verloren gehen werden. "Wir haben einen Strukturwandel in der Händlerschaft, und der wird jetzt noch beschleunigt. Aber selbst wenn einzelne Betriebe aufgeben oder von Größeren gekauft werden, die Mitarbeiter verteilen sich in der Branche und finden zum größten Teil wieder neue Beschäftigung", sagt er zuversichtlich.

Unabhängig davon, wie das Ende der Abwrackprämie in der Autoindustrie einschlagen wird, erfreut sich eine Zunft noch auf Monate hinaus an der größten Verschrottungsorgie in der deutschen Geschichte: die Autoverwerter. Bei ihnen stapeln sich immer noch Unmengen an Altautos, die ausgeschlachtet und verschrottet werden müssen. Bis 2010, so schätzt der Branchenverband der Autoverwerter, hätten sie noch damit zu tun.

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