Das handgemachte Buch

Von Sabine Tenta

Je mehr sich das E-Book durchsetzt, desto größer wird die Sehnsucht nach handwerklich schön gemachten Büchern. WDR.de hat einer Buchbinderin über die Schulter geschaut und zeigt zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse echte Handarbeit.

Vorsatzpapier, Einbandgewebe, Pappdeckel, Buchseiten, Zwirn und Falzbein

Bücher gibt es in vielen Formen: als Datensammlung, als billiges Taschenbuch, als gebundene Massenware – und als von Hand hergestelltes Unikat. Und das sind dann die Zutaten für ein Buch, das Geist und Sinne anspricht: Buchseiten aus der Druckerei, ein buntes Vorsatzpapier, Pappdeckel und Einbandgewebe. Dazu noch Zwirn für die Fadenheftung und eins der wichtigsten Werkzeuge der Buchbinderin: das Falzbein aus Knochen.

Bücher gibt es in vielen Formen: als Datensammlung, als billiges Taschenbuch, als gebundene Massenware – und als von Hand hergestelltes Unikat. Und das sind dann die Zutaten für ein Buch, das Geist und Sinne anspricht: Buchseiten aus der Druckerei, ein buntes Vorsatzpapier, Pappdeckel und Einbandgewebe. Dazu noch Zwirn für die Fadenheftung und eins der wichtigsten Werkzeuge der Buchbinderin: das Falzbein aus Knochen.

Die Novelle "Christine" von Julien Green soll gebunden werden, ein schmales Bändchen mit nur wenigen Seiten. Zunächst schneidet Sarah Stahl an einer großen Pappschere das Vorsatzpapier zurecht. Die 28-Jährige ist Inhaberin der "Buchbinderei Mensch" in Köln.

Zwei Blätter werden jeweils in der Mitte geknickt und mit dem Falzbein glatt gestrichen. Dann wird das Vorsatzpapier vorne und hinten auf den Buchblock geleimt. Später wird es die Buchseiten mit dem Einband verbinden. Oft bilden die Vorsatzblätter einen farbigen Akzent oder sind, wie in diesem Fall, bunt gemustert.

Dann geht es an das Heften der Buchseiten. Dafür beschwert Sarah Stahl zunächst die Seiten mit einem Gewicht und sticht mit einer Ahle Löcher in die fünf Lagen des dünnen Büchleins.

Der Zwirn wird vor dem Heften noch über Wachs gezogen. "Dann gleitet er leichter durch die Löcher und zerteilt sich auch nicht", erklärt die Buchbinderin.

Jetzt wird jede einzelne Lage mit dem Faden durchzogen. In einer eingeübten Choreografie gleitet der Faden durch die Löcher und umfährt immer wieder zwei Strippel – die Heftbünde. Sie halten die Lagen zusammen.

Unterstützung bekommen die Heftbünde durch Buchbinderleim, der zusätzlich für einen guten Zusammenhalt sorgt. Er trocknet im Gegensatz zu normalem Kleber nicht starr aus, sodass der Buchrücken flexibel bleibt.

Nun muss der geheftete Block in die Presse und ausgiebig ruhen.

Danach misst Sarah Stahl die Größe des Buchblocks aus und schneidet ihn an einer Maschine zurecht.

Als nächstes bekommt der Buchblock eine Rückenstärkung (Shirting), eine Verzierung (Kapitalband) und eine sehr praktische Hilfe (Leseband).

"Die Diagonale der Buchseite plus zwei Fingerbreit macht die ideale Länge für das Leseband", erklärt Sarah Stahl und leimt es an die obere Seite des Buchrückens. Keine Frage: Das integrierte, festgeklebte Lesezeichen ist extrem nützlich.

Im Gegensatz dazu ist das Kapitalband "nicht nützlich, sondern nur schön", so die Buchbinderin. Es schließt den Buchblock ab und setzt einen Farbakzent beim Gesamtkunstwerk Buch.

Das Shirting ist ein dünnes Baumwollgewebe, das um den Buchrücken geleimt wird und diesen nochmals verstärkt.

Fehlt nur noch der Einband, quasi das Kleid für den noch nackten Buchblock. Dafür schneidet Sarah Stahl an der Pappschere das grüne Einbandgewebe und die Pappdeckel zu. Wie dick die Pappe ist, hängt vom Umfang des Buches ab. Hier wählt Stahl für die Deckel 1,5 mm und für den Rücken 0,5 mm.

Die Rückseite des Einbands wird vollflächig eingeleimt. Dann legt die Buchbinderin mit gutem Augenmaß zunächst den ersten Deckel auf. Für den richtigen Abstand auf dem Rücken hat sie ein Hilfsmittel. Es ist eine dicke Pappe, eingefasst mit Klebeband, damit hinterher der Leim abgewischt werden kann.

Zweiter Deckel drauf, Ecken abschneiden und die überstehenden Stücke umlegen und festdrücken.

Auf dem Buchrücken werden mit dem Falzbein Rillen gezogen. Damit ist der Einband fast fertig. Was noch fehlt, ist die Prägung des Titels.

Nun wird die Buchbinderin zur Schriftsetzerin: Sie greift in ein Regal mit alten Holzschubladen, in denen die unterschiedlichsten Schrifttypen aus Messing lagern. "Eine Antiqua-Schrift ist hier passend", entscheidet sie.

Mit einer Pinzette setzt sie die nur wenige Millimeter großen, spiegelverkehrten Buchstaben zusammen. Damit die Schrift etwas breiter wird, kommen noch kleine Abstandshalter aus Karton dazwischen. Die Fachfrau nennt diesen Vorgang "Spationieren".

Die Buchstaben werden auf gut 100 Grad Celsius erhitzt und auf den Bucheinband gedrückt.

Auch hier ist höchste Konzentration gefragt, und es muss sehr genau gearbeitet werden. Ein Fehler beim Prägen würde bedeuten, dass der gesamte Einband neu gemacht werden muss.

Ein Farbband wird, ähnlich wie bei einer Schreibmaschine, zwischen zwei Rollen gespannt und mit der Prägemaschine auf das Baumwollgewebe gedrückt.

Fertig sind Einband und Buchblock. Beide werden nun noch miteinander verleimt und müssen nochmals gepresst werden.

Sarah Stahl hat übrigens – wen wundert’s – keinen E-Book-Reader. Sie wird sich auch keinen zulegen, ganz gleich wie praktisch er auch sein mag: "Mir macht es auch nichts aus, zehn Kilo Bücher mit in den Urlaub zu schleppen."

Stand: 09.10.2013, 06:00 Uhr