Der Vater der getoeteten Kurdin Arzu Ö. in einem Verhandlungssaal im Landgericht in Detmold zwischen seinem Anwalt und einem Dolmetscher

Prozess gegen den Vater von Arzu Ö.

Vater bestreitet Beteiligung am Mord

Stand: 28.01.2013, 13:04 Uhr

Im Prozess um Anstiftung zum Mord an Arzu Ö. hat der angeklagte Vater die Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen. Der 53-Jährige soll fünf seiner Kinder im November 2011 zum Mord an ihrer 18-jährigen Schwester angestiftet haben.

In einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung betonte Fendi Ö. zum Prozessauftakt am Montag (28.01.2013): "Ich habe nichts mit dem Mord zu tun." Er habe seinen fünf bereits verurteilten Kindern nicht den Auftrag gegeben, seine Tochter Arzu Ö. umzubringen. In der Erklärung räumte Ö. ein, seine Tochter geschlagen und unter anderem auch mit einem Stock verprügelt zu haben. Das tue ihm leid, erklärte der 53-Jährige. Nachdem seine Tochter aus der Familie ausgestoßen worden sei, sei die Sache für ihn erledigt gewesen.

Die 18-jährige Arzu Ö. war in der Nacht zum 1. November 2011 aus der Wohnung ihres deutschen Freundes entführt und später erschossen worden. Für die Tat wurden fünf ihrer Geschwister im Mai 2012 zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und lebenslänglich verurteilt. Lebenslänglich bekam einer der Brüder wegen Mordes, ein weiterer wurde wegen Beihilfe zum Mord und Geiselnahme mit zehn Jahren Haft bestraft. Revisionen der Brüder gegen die Urteile waren im Dezember 2012 vom Bundesgerichtshof abgelehnt worden. Alle beteiligten Geschwister hatten die Entführung gestanden, die Tötung sei aber nicht geplant gewesen. Im Verfahren gegen seine Kinder hatte Fendi Ö. sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch genommen.

Vermeintlicher Ehr- und Gesichtsverlust

Dass der Vater nicht direkt mit den Kindern angeklagt wurde, erklärt Staatsanwalt Christopher Imig für WDR.de damit, dass der "Verdacht gegen die Kinder eindeutig gewesen" sei. Gegen den Vater habe man Verdachtsmomente gehabt, die sich aber erst im Lauf des Prozesses gegen die Geschwister erhärten ließen.

Im nun begonnenen Verfahren gegen den Vater heißt es in der Anklageschrift, Fendi Ö. habe seine Tochter wegen ihrer Liebesbeziehung bestraft, die nicht den religiösen Regeln der jesidischen Familie entsprochen hätte. Jesiden dürfen gemäß ihrem Glauben keine Liebesbeziehungen zu Andersgläubigen eingehen. Eine Heirat bedeutet in solch einem Fall den Austritt aus der jesidischen Religionsgemeinschaft.

Fendi Ö. und einer der Brüder hätten Arzu geschlagen und zu Hause eingesperrt, heißt es in der Anklageschrift. Arzu Ö. floh in ein Frauenhaus, änderte ihren Namen und ihr Äußeres. Nach zweimonatiger Suche entdeckte die Familie die junge Frau dennoch. Fendi Ö. soll seine fünf erwachsenen Kinder schließlich dazu aufgefordert haben, "Arzu zu töten, um auf diese Weise den durch Arzus Verhalten in der jesidischen Öffentlichkeit vermeintlich erlittenen Ehr- und Gesichtsverlust wiedergutmachen zu können", so die Anklage weiter.

Verurteilte Kinder verweigern Aussage

Im Prozess sind 28 Zeugen geladen, drei Sachverständige wurden bestellt. Ursprünglich sollten auch die fünf verurteilten Kinder von Fendi Ö. vor Gericht erscheinen. Sie haben jedoch die Aussage verweigert. Vorgesehen sind insgesamt vier Verhandlungstage. Da der Angeklagte keine weiteren Angaben zu den Vorwürfen machen will und auch weitere Familienmitglieder nicht aussagen werden, wird ein Indizienprozess erwartet. Im Fall eines Schuldspruchs könnte Fendi Ö. zu einer Haftstrafe von drei bis 15 Jahren verurteilt werden. Die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen die Mutter Arzu Ö.s lehnte das Gericht mit der Begründung ab, dass eine Verurteilung nicht wahrscheinlich sei. Die Frau habe aufgrund des kulturellen Hintergrunds der Familie "keine reale Möglichkeit" gehabt, das von dem Vater und einem der Söhne geplante Verbrechen zu verhindern.

"Ohne Erlaubnis hätte niemand Arzu ermordet"

Die Buchautorin und Menschenrechtlerin Serap Çileli hebt hervor, dass es aus ihrer Sicht um die Ehre des Clan-Chefs gehe. Sie hatte bereits den Prozess gegen die fünf Geschwister verfolgt und öffentlich kommentiert. Nun fordert sie eine harte Bestrafung auch des Vaters. "Ehrenmorde sind die schlimmste Form der Selbstjustiz". Die Justiz müsse eindeutig signalisieren: "Das ist bei uns verboten."

Çileli will die Mitglieder der jesidischen Religionsgemeinschaft "nicht über einen Kamm scheren". Sie habe aber die Erfahrung gemacht, dass die Familien nach außen durchaus integriert wirken, intern aber festen Hierarchien und strengen Regeln verhaftet sind. Mit ihrer Beziehung zu ihrem nicht-jesidischen Freund habe Arzu Ö. "Ehre, Ansehen und jesidische Regeln verletzt". Nach diesen Regeln hätte aber "niemand Arzu ohne Erlaubnis des Vaters ermordet", meint Çileli.