Interview zu rechten Anschlägen

Forscher: "Fremdenfeinde fühlen sich bestätigt"

Stand: 13.10.2015, 14:55 Uhr

Hakenkreuze, fremdenfeindliche Parolen, Brandanschläge - woher kommt der Hass? Im WDR-Interview berichtet der Bielefelder Gewaltforscher Andreas Grau über ausländerfeindliche Grundhaltungen und das Zusammenspiel von rechten Politikern und Gewalttätern.

WDR: In NRW wurden in den letzten Tagen Flüchtlingsheime in Brand gesetzt. Zudem beschmieren Unbekannte regelmäßig Asylbewerberheime mit Neonazi-Parolen. Droht eine ausländerfeindliche Eskalation?

Andreas Grau: Zunächst einmal haben wir bereits im vergangenen Jahr eine Zunahme der Brandanschläge und Propaganda-Delikte erlebt. Dieser Anstieg in 2014 war bundesweit zu registrieren - NRW machte da keine Ausnahme. Es ist zu befürchten, dass fremdenfeindliche Gewalttaten im Jahr 2015 noch einmal deutlich zunehmen. Die Konflikte nehmen zu, gerade in Städten, wo Massenunterkünfte für Geflüchtete direkt neben Wohngebieten liegen. Dieses Konfliktpotenzial darf man nicht unterschätzen.

WDR: Sind fremdenfeindliche und neonazistische Einstellungen in NRW letztlich genauso verbreitet wie in Ostdeutschland oder wie ist die Zunahme an Zwischenfällen zu erklären?

Grau: In fast allen Bundesländern ist ein Anstieg von fremdenfeindlichen Anschlägen zu verzeichnen. Ausländerfeindliche, wir nennen sie auch einfach menschenfeindliche Einstellungen sind in Nordrhein-Westfalen keine Ausnahmeerscheinung. Aus wissenschaftlichen Studien wissen wir, dass rund ein Drittel der Befragten in Nordrhein-Westfalen fremdenfeindlichen Aussagen zustimmt. Diese Stimmungen setzen einige Zeitgenossen dann in Gewalt um.

WDR: Welche Rolle spielt es, wenn Politiker die Stimmung mit ausländerfeindlichen Sprüchen anheizen?

Grau: Es ist ganz schwer, hier einen Nachweis zu führen. Aber es spricht einiges für die Hypothese, dass es hier ein Zusammenspiel gibt. Rechtsextreme und "Pegida"-Aktivisten versuchen ganz gezielt, Ängste zu schüren und Menschen gegen Flüchtlinge aufzuhetzen. Und andersrum fühlen sich auch Fremdenfeinde in der Bevölkerung bestätigt, wenn Politiker in der Öffentlichkeit Stimmung gegen Fremde machen. So mancher, der ein Asylbewerberheim anzündet oder Hakenkreuze an Wände schmiert, mag aus öffentlichen Äußerungen von rechten Politikern seine Legitimation ziehen.

WDR: Nach der Brandstiftung in einem Flüchtlingsheim im sauerländischen Altena kamen die beiden Tatverdächtigen nicht in Haft. Laut Staatsanwaltschaft seien die Männer nicht rechtsradikal, sondern sie hätten Angst vor Flüchtlingen in der Nachbarschaft. Was halten Sie von dieser Unterscheidung?

Grau: Das ist offenbar eine juristische Bewertung einer Staatsanwaltschaft. Ich bin kein Jurist. Persönlich kann ich mit dieser Unterscheidung zwischen fremdenfeindlich, aber angeblich nicht rechtsradikal, wenn es um einen Brandanschlag auf eine Unterkunft von Geflüchteten geht, wenig anfangen.

WDR: Wie würden Sie allgemein die gesellschaftliche Stimmung in diesem Herbst beschreiben? Kippt da etwas? Und was kann eine Zivilgesellschaft, was können Verantwortungsträger tun, um die Stimmung zu beruhigen?

Grau: Gerade Politiker in den Kommunen müssen Ängste in der Bevölkerung erst einmal ernst nehmen, aber auch den vom Grundgesetz gesicherten Schutz von Geflüchteten ernst nehmen. Wie gesagt, gerade, wenn Flüchtlinge in Sammelunterkünften und Wohnbevölkerung direkt nebeneinander leben, kann es zu Konflikten kommen. Verantwortungsvolle Politiker müssen alles tun, um Konflikte sachlich und friedlich zu bearbeiten, ohne Menschen gegeneinander aufzuhetzen.

Das Interview führte Martin Teigeler.

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