Studenten verfolgen im Hörsaal eine Vorlesung

Neues NRW-Stipendiensystem für Begabte

300 Euro für die schlauesten Köpfe

Stand: 18.09.2009, 12:29 Uhr

Ab dem Wintersemester erhalten 1.400 begabte Studierende das NRW-Stipendium. Eine bahnbrechende Idee bejubeln einige - sozial unausgewogen, kritisieren andere. Am Freitag (18.09.2009) diskutierte der Bundesrat über die Ausweitung des Programms.

Von Annika Franck

Es kommt Bewegung in die Bildungslandschaft: Mit Beginn des Wintersemesters 2009/2010 startet NRW als erstes Bundesland ein eigenes Stipendiensystem. 1.400 besonders begabte und fleißige Studierende sollen dann monatlich 300 Euro erhalten, acht Semester lang. Um die Stipendien zu finanzieren, ist auch das Engagement der Hochschulen gefragt. Für jeden Euro, den sie von privaten Geldgebern einwerben können, legt das Land einen Euro drauf. Langfristiges Ziel ist es, die Quote von Stipendiaten von derzeit 0,5 Prozent auf zehn Prozent zu erhöhen.

Aachen und Duisburg-Essen besonders erfolgreich

"Bei uns hat es bisher sehr gut funktioniert und wir konnten zahlreiche Firmen aus der Region als Geldgeber gewinnen", berichtet Angela Poth von der RWTH Aachen. Die Hochschule stellt mit 150 die meisten Stipendien im Lande zur Verfügung. "Und wir haben noch längst nicht alle Potenziale ausgeschöpft", sagt die auf das Sammeln von Geld spezialisierte Fundraiserin Poth. Ihr Kollege Bernd Thunemeyer von der Universität Duisburg-Essen hat ähnliche Erfahrungen gemacht: "Wir bemühen uns seit Jahren um gute Kontakte zur regionalen Wirtschaft, und so war das Einwerben der Gelder relativ einfach." Dass so etwas "für Geldgeber eine echte Chance ist", wie Thunemeyer hervorhebt, zeigen die 130 Stipendien, die die Hochschule zur Verfügung stellt. Damit entkräftet die Uni Duisburg-Essen Befürchtungen, dass in strukturschwachen Regionen ein solches Finanzierungsmodell nicht aufgehen könne.

AStA: Lieber mehr BAföG und mehr Wohnheime

Kritiker indes fürchten, dass die Industrie zu viel Einfluss auf die Hochschulen bekommen könnte. "Es stehen ja wirtschaftliche Interessen dahinter", sagt Hilmar Schulz von der Landesvertretung des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). "Wir brauchen keine Stipendien, die sowieso nur eine kleine Klientel ansprechen oder berechtigen, sondern den flächendeckenden Ausbau von BAföG und Wohnheimplätzen."

Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh ist da anderer Meinung. "Es ist ein wertvolles, sehr hilfreiches Programm und eine Erweiterung der bisherigen Finanzierungsmöglichkeiten", urteilt der Bildungsfachmann. Er geht sogar so weit, von einer "bahnbrechenden Idee" zu sprechen, die "hoffentlich weitere Kreise zieht". Zudem sei es grundsätzlich möglich, sowohl BAföG als auch das NRW-Stipendium zu beziehen. Auch die Befürchtung, dass Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften besonders häufig gefördert und die Geisteswissenschaften an den Rand gedrängt werden könnten, sieht er nicht. "Fast 40 Prozent der Stipendien sind ohne Fachbindung", stellt er heraus. Dass es auch beim BAföG Verbesserungsbedarf gebe, stehe laut Müller auf einem anderen Blatt: "Ich würde mir beispielsweise die Aufhebung der Altersgrenze wünschen und die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums."

Geld an keine Bedingungen geknüpft

Die Auswahl der Stipendiaten treffen die einzelnen Fakultäten der Hochschulen. Zwar nutzen einige Firmen ihr finanzielles Engagement, um über das Stipendium mit Studierenden - und potenziellen Arbeitnehmern - in Kontakt zu kommen. "Aber wir passen auf, dass das Stipendium keine Art der Rekrutierung ist. Es gibt zwar Möglichkeiten zum Kontakt, aber eine vertragliche Festlegung gibt es nicht", betont Angela Poth aus Aachen. "Anders als Stipendien von vielen Stiftungen ist dieses Programm nicht an irgendwelche Bedingungen geknüpft."

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) brachte am Freitag (18.09.2009) einen Antrag in den Bundesrat ein, um das NRW-Modell bundesweit zu etablieren. Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte in der Länderkammer, der Bund müsse mithelfen, dass Deutschland beim Thema Stipendien kein "Entwicklungsland" bleibe. "Begabtenförderung ist Bundesaufgabe." Der Bund solle etwa zwei Drittel des staatlichen Anteils zahlen, das jeweilige Bundesland ein Drittel. Der Antrag wurde zunächst in die zuständigen Ausschüsse verwiesen.

Zuvor war Pinkwart in der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) mit einem entsprechenden Vorstoß gescheitert. In den Weg stellten sich SPD, die Grünen und Politiker der Linken. Sie kritisieren die soziale Auslese und befürchten, dass gerade Studierende aus bildungsfernen Schichten nicht erreicht würden. Außerdem wurden Zweifel am finanziellen Engagement privater Geldgeber laut. Daraufhin initiierte Pinkwart den Alleingang und führte das Stipendium zunächst für NRW ein. Daher ist man auch nach der ersten Abfuhr im Pinkwart-Ministerium zuversichtlich: "Wir konnten ja zeigen, dass es funktioniert. Und Duisburg-Essen beweist, dass dies auch für strukturschwache Regionen gilt", sagte ein Sprecher.