Stichtag

13. September 2010 - Vor 1.675 Jahren: Die Grabeskirche in Jerusalem wird eingeweiht

Rund 300 Jahre nach Jesus' Tod lässt Kaiser Konstantin in Jerusalem nach dessen Grab suchen. Die Stadt ist zu jener Zeit stark verfallen und der Ort der Kreuzigung Jesu nicht mehr bekannt. Der erste christliche Herrscher des römischen Reiches befiehlt, den Schutt des zerstörten Aphrodite-Tempels wegzuräumen und zu graben. Gefunden wird eine Höhle - wohl eine Grabkammer, wie es viele dieser Art im alten Jerusalem gab. Unweit dieser Kammer findet der Legende nach die Kaisermutter Helena das Kreuzholz Jesu, das bald zu einer berühmten Reliquie wird. Dass die Höhle leer ist, nimmt Kaiser Konstantin als Beweis für das Wunder der Auferstehung. Er lässt über den angeblichen Fundstellen ein prachtvolles Bauwerk errichten und schafft damit die bedeutendste Pilgerstätte der Christenheit: Die Grabeskirche wird am 13. September 335 von Kaiser Konstatin eingeweiht.

Authentischer Ort?

Wer heute die Grabeskirche besucht, dem fällt es schwer, die Überreste des ursprünglichen Bauwerks zu erkennen. Es wurde durch Kapellen umgestaltet und ergänzt. Manche Pilger wundern sich, wenn sie mitten in der Altstadt Jerusalems im Winkel einer Gasse einen Torbogen erblicken mit der Aufschrift: "Heiliges Grab". Denn in den Schriften der vier Evangelisten heißt es: "Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen." Und im Johannes-Evangelium steht darüber hinaus: "An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet worden war." Wie passt das zusammen? Kann die verehrte Stätte mitten im alten Jerusalem wirklich der Ort der Kreuzigung und Grabsteinlegung sein? "Wir können nicht völlig sicher sein", sagt Professor Dan Bahat, in den 1980er Jahren leitender Archäologe der Stadt. "Aber wir haben gewiss keinen anderen Ort, der diesen Anspruch mit vergleichbarem Recht erheben könnte."

Blutige Konflikte

Die Grabeskirche ist im Lauf der Geschichte immer wieder umstritten. Ab dem siebten Jahrhundert, als der zweite Kalif Omar Jerusalem erobert, gehört die Stadt zum Territorium verschiedener islamischer Reiche. Doch nur einer der islamischen Herrscher, der ägyptische Fatimiden-Kalif al-Hakim, lässt die Grabeskirche 1009 fast völlig zerstören. Sie ist kaum wiederaufgebaut, als die Kreuzritter 1099 die heilige Stadt einnehmen. Dabei metzeln sie die muslimische und jüdische Bevölkerung nieder. Griechische Christen werden vertrieben oder erschlagen. Denn mittlerweile kommt es auch innerhalb der Christenheit zu blutigen Konflikten: Die griechisch-orthodoxen Christen, die Armenier, die Kopten, die Syrer und die Äthiopier erkennen den Papst in Rom nicht an und haben auch in Jerusalem ihre eigenen Patriarchate, also Bischofssitze. Ein solche Repräsentanz erkämpfen sich die römischen Katholiken erst mit den Kreuzzügen: Seit dem 14. Jahrhundert wird Rom in der Grabeskirche durch den Orden der Franziskaner vertreten. Bis heute teilen sich diese sechs christliche Konfessionen das Besitzrecht an der Grabeskirche. Nur sie dürfen ihre Gottesdienste in der Kirche zelebrieren. Andere christliche Glaubensrichtungen wie die Protestanten haben dieses Recht nicht.

Muslimische Schlüsselverwalter

Weil der Streit zwischen den Christen immer wieder eskaliert, spricht im 19. Jahrhundert der osmanische Sultan Abdul Meschid, zu dessen Herrschaftsgebiet Jerusalem damals gehört, ein Machtwort. 1852 verkündet er einen Erlass, der als "Status Quo" bekannt wird: "Alles muss in dieser Kirche bleiben, wie es jetzt, in diesem Moment ist." So lehnt bis heute eine Holzleiter auf einem Sims an der Fassade. Sie stand zur Zeit des "Status Quo" zufällig dort. Die Schlüssel der Grabeskirche entzog Sultan Saladin den rivalisierenden christlichen Konfessionen bereits vor 800 Jahren. Sie wurden zwei muslimischen Familien anvertraut. Die eine verwahrt den Schlüssel, die andere hat das Recht, die Türe morgens auf und abends abzuschließen.

Stand: 13.09.10