Stichtag

10. März 2010 - Vor 475 Jahren: Die Entdeckung der Galapagos-Inseln

Lonesome George führt ein überschaubares Sozialleben, denn der schwergewichtige Methusalem ist im wahrsten Sinne ein Unikum: Die bald hundertjährige Riesenschildkröte ist das letzte Exemplar einer Art, die nur an einem Ort der Welt zuhause war: auf den Galapagos-Inseln, im Nirgendwo auf dem Pazifik, weit draußen vor der Küste Ecuadors. Herman Melville, der Autor von "Moby Dick", verglich den scheinbar so unwirtlichen Lava-Archipel aus 14 großen und über 100 kleinen bis winzigen Inseln mit wahllos ins Meer gekippten Haufen von Kohleschlacke. Für den vielgereisten Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibelsfeldt dagegen ist der Archipiélago de Colón, so sein offizieller Name, eine "Arche Noah im Pazifik". Die vulkanische Inselgruppe, erst vor rund 700.000 bis drei Millionen Jahren entstanden, hatte nie Kontakt mit dem Festland und wurde so zur Heimat einer einzigartigen Fauna und Flora. Erst am 10. März 1535 wird das schroffe Paradies durch Zufall entdeckt - von einem verirrten Seereisenden.

"Wir segelten sieben Tage bei gutem Wind entlang der Küste", schreibt Tomás de Berlanga an seinen Kaiser Karl V. nach Spanien. Dann aber gerät der vierte Bischof von Panama auf seiner Passage nach Peru in eine schwere Flaute. Tagelang treibt sein Schiff mit der Strömung. Als Berlanga endlich Land sichtet, ahnt er nicht, dass er sich inzwischen tausend Kilometer von der Küste Südamerikas entfernt hat. Das ersehnte Festland erweist sich als eine abweisende, von Wellen umtoste Inselwelt. Für Menschen wenig geeignet, dafür überreich bevölkert von Vögeln, Robben, Echsen und anderem nie zuvor gesehenen Getier. Besonderen Eindruck auf den Bischof machen die Schildkröten, "so groß, dass man darauf reiten kann", wie er im Logbuch notiert. Nach Berlangas unfreiwilliger Entdeckung jedoch bleiben die Inseln, die später nach "Galápago", dem spanischen Wort für den Schildkrötenpanzer benannt werden, weitgehend unbekannt. 300 Jahre lang steuern lediglich Walfänger und Freibeuter die "Islas Encantadas", die verzauberten Inseln, an, um Lonesome Georges Vorfahren als schmackhafte, lebende Fleischvorräte an Bord zu nehmen.

Im Jahr 1835 kommt ein junger britischer Naturforscher während seiner fast fünfjährigen Weltreise mit der "HMS Beagle" auf die Galapagos-Inseln. Wochenlang erkundet Charles Darwin die Tiere des Archipels, darunter vor allem die Finken und Spottdrosseln. An deren Schnabelformen erkennt er, dass Vögel der gleichen Art, die auf verschiedenen Inseln beheimatet sind, sich den spezifischen Lebensräumen angepasst und neue Unterarten ausgebildet haben. So entdeckt Darwin die Galapagos-Inseln als "Schaufenster der Evolution" und entwickelt aus seinen Beobachtungen eine der revolutionärsten Wissenschaftsthesen der Neuzeit: die Theorie über die Entstehung der Arten. Wenige Jahrzehnte nach Charles Darwins Besuch siedeln sich auf den Galapagos-Hauptinseln die ersten Bewohner an. Heute leben etwa 30.000 Menschen auf dem zu Ecuador gehörenden Archipiélago de Colón.

Stand: 10.03.10