Stichtag

05. April 2009 - Vor 395 Jahren: Pocahontas heiratet John Rolfe

1607 gehen an der Mündung des James River im heutigen US-Bundesstaat Virginia drei englische Schiffe vor Anker. An Bord ist John Smith, der kurz nach der Ankunft von Indianern gefangengenommen wird. Die Indianer versuchen mit Knüppeln, auf ihn einzuschlagen. Aber ein Indianermädchen kommt ihm zu Hilfe: "Pocahontas warf sich auf mich und nahm meinen Kopf in ihre Arme, um mich zu retten", wird Smith später in einem seiner Bücher schreiben.

Wahrscheinlich ist die schöne Geschichte von der Rettung John Smiths durch die Tochter des Häuptlings Powhatans nicht wahr. Aber sie zeigt, wie aufgeschlossen und mutig Pocahontas ist. Belegt ist auch, dass die Häuptlingstochter eine der ersten Indianerinnen ist, die mit den späteren Gründern von Jamestown Kontakt aufnimmt. Und es ist belegt, dass sie den Weißen in einem Hungerwinter das Überleben sichert. Da leben Einheimische und Neuankömmlinge noch in Eintracht beieinander.Aber das Verhältnis verschlechtert sich. Es kommt zu gegenseitigen Überfällen. Pocahontas wird entführt und lebt ein Jahr bei einem Priester in Jamestown, der sie "Rebecca" tauft. In der Gefangenschaft lernt sie den Tabakpflanzer John Rolfe kennen. Rolfe verliebt sich in das Mädchen. Zur Hochzeit am 5. April 1614 schickt Powhatan einen Onkel und zwei Brüder in die Kirche. In London ist man begeistert von der Nachricht - zeigt sie doch, dass die Indianer für Christentum und Wirtschaft kontrollierbar sind. Aus der Ehe zwischen Pocahontas und Rolfe geht mit Thomas das einzige legalisierte Kind mit indianischem und europäischen Blut im Neuengland des 17. Jahrhunderts hervor.

Dann wird die Vorzeigefamilie zu Werbezwecken nach England eingeladen. "Lady Rebecca" verblüfft die Gastgeber mit perfektem Englisch, genießt die Bälle und Partys, die ihr zu Ehren veranstaltet werden. Pocahontas wird als einzige anerkannte "Indianerprinzessin" bei Hofe empfangen. Lange Zeit gilt sie als "Mutter Amerikas". Bis zum Verbot der "Rassenmischung" 1864 gehört derjenige zum amerikanischen Hochadel, der ihren Sohn  Thomas in seinem Stammbaum nachweisen kann.1617 stirbt Pocahontas, deren Immunsystem das feuchte und kalte Wetter in England nicht verträgt, an einem europäischen Infekt. Sie wird nur 22 Jahre alt. Ihr Sohn Thomas wächst weiter in England auf und kehrt erst als Erwachsener nach Virginia zurück. Hier gründet er eine einflussreiche Pflanzer-Dynastie, die zahlreiche amerikanische Politiker hervorbringt. Die Ironie des Schicksals will es, dass ausgerechnet Pocahontas Ehemann John Rolfe die Tabakpflanze in Virginia einführt. Da sie den Boden ausdorrt, müssen die Siedler immer neues Terrain erobern. Die Ausrottung der Indianer ist vorprogrammiert.Im amerikanischen Gründungsmythos wird diese Episode deshalb gerne ausgespart. Auch der Walt-Disney-Film "Pocahontas" reduziert die Heirat zwischen Indianerin und Siedler auf eine schmachtende Liebensgeschichte.

Stand: 05.04.09