Stichtag

02. März 2007 - Vor 30 Jahren: Gründung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg

Von seiner Hütte aus kann der Moderator von Radio Freies Wendland beobachten, wie andere Hütten unter dem Druck von Polizei und Bulldozern zusammenbrechen. "Die Bullen kommen immer näher", kommentiert er das Geschehen ins Mikrophon, "der ganze Platz ist umstellt von Bullen." Am Ende wird der Piratensender selbst Opfer der Abräumaktion. Radio Freies Wendland bricht die Übertragung ab. "Wir müssen uns noch ein wenig verstecken", sagt der Moderator zum Abschied. "Vielen Dank fürs Zuhören. Der Kampf geht weiter. Tschüß."

90 Minuten hat die Polizei den rund 1.500 Kernkraftgegnern und ihren Hühnern gegeben, um die selbstgebauten Hütten ihres mit Friseur und Bäcker ausgestatteten Anti-Atom-Dorfs am Bohrplatz 1004 bei Gorleben im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg zu räumen, dann kommen die Planierraupen. Im größten Polizeieinsatz der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte sollen sie den Weg frei machen für ein Endlager atomaren Abfalls. Dagegen wehrt sich die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, die am 2. März 1977 als eingetragener Verein gegründet wird. Denn was die Politik als harmlosen "Entsorgungspark" verkaufen will, macht den Bauern und Wirten der Umgebung Angst. Aber auch Künstler, Liedermacher und Studenten kommen, um die Initiative zu unterstützen. "Und diese so genannte städtische Intelligenz paarte sich dann mit der so genannten Bauernschläue", sagt ihr Sprecher Francis Althoff. "Und daraus wurde einfach dieser unnachahmliche Widerstand". Das erklärte Ziel heißt: "Gorleben erledigen" und "die Stilllegung aller Atomanlagen".

Gorleben bleibt, die Atomkraft auch. Deshalb geht der Protest auch nach der Räumung des "Hüttendorfes 1004" weiter. Verstärkt wird er durch den Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 und ab 1995, als tatsächlich erste Castor-Behälter nach Gorleben rollen. Die Bürgerinitiative protestiert, obwohl niemand so recht an den durchschlagenden Erfolg ihrer Aktionen glauben will. "Wenn man vor einem Atomkraftwerk steht und demonstriert, was ja jeden Tag sinnvoll ist, ist es aber im Endeffekt etwas frustrierend", sagt Althoff: "Weil am nächsten Tag ist das Atomkraftwerk ja noch da."

Stand: 02.03.07

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