Stichtag

8. November 1884 - Geburtstag von Hermann Rorschach

Schon als Kind wird Hermann Rorschach "Klex" genannt. Sein Vater arbeitet als Zeichenlehrer, der Sohn wächst inmitten von Farben auf. Auch er will zunächst Künstler werden. Doch berühmt wird Rorschach schließlich mit einer etwas anderen "Kunst": seinen zehn Tintenklecksen, die – eingesetzt in der Psychiatrie und der Psychoanalyse – einen Blick ins Unbewusste eines Patienten zulassen sollen. "Zu keinem Test wurde so viel publiziert und geforscht wie zum Rorschach-Test", sagt Rita Signer, die die Sammlung und das Archiv Hermann Rorschach in Bern lange Zeit geleitet hat. Der Rorschachtest, eines der ältesten psychodiagnostischen Werkzeuge, könne laut seinen Befürwortern ein Röntgenbild der Seele liefern. Rorschach selbst war bescheidener: Er glaubte lediglich, anhand der Patientenantworten, Rückschlüsse auf ihr Wahrnehmungsvermögen, ihre Intelligenz und ihre emotionalen Fähigkeiten ziehen zu können.

Zu früh gestorben, um weiterzuforschen

Hermann Rorschach, geboren am 8. November 1884 in Zürich, verliert bereits im Alter von 13 Jahren die Mutter und kurz vor der Ausbildung den Vater. Der stirbt an einer neurologischen Krankheit, vermutlich ausgelöst durch eine Bleivergiftung, nicht unüblich bei Malern dieser Zeit. Rorschach beginnt 1904 also ein Medizinstudium, vielleicht um die Leiden der Eltern besser zu verstehen. Er beschäftigt sich mit der Psychiatrie - mit Assoziationstests und der Psychoanalyse Sigmund Freuds. Bald entwickelt er den berühmten Test mit den damals noch fünfzehn Tintenklecksen. Die Methode wird 1921 in seinem Buch "Psychodiagnostik" veröffentlicht. Er selbst nennt es ein wahrnehmungs-diagnostisches Experiment, das allerdings noch nicht ausgereift ist. Doch Rorschach kann nicht daran weiterarbeiten. Im April 1922 stirbt er überraschend an einer zu spät erkannten Blinddarmentzündung – er ist gerade einmal 37 Jahre alt.

In den USA galt der Test als besonders aussagekräftig

"Ich finde es schade, dass Hermann Rorschach auf diesen einzigen Test reduziert wird. Es wird immer gesagt, der Test von Rorschach erfasse die gesamte Persönlichkeit, aber umgekehrt sehen nur wenige die Persönlichkeit Rorschachs als Ganzes", sagt die ehemalige Leiterin der Rorschach-Sammlung, Rita Signer. Der Test hat sich längst von seiner Person gelöst: Bis heute besteht er aus den gleichen Tafeln - allerdings sind es nur noch zehn. Darauf abgebildet sind graue oder teils farbige Tintenkleckse. Die Auswertung wurde und wird immer wieder debattiert und verfeinert, hunderte von Studien wurden publiziert. Vor allem in den USA galt der Rorschachtest lange Zeit als besonders aussagekräftig.

In Europa spielt der Test kaum eine Rolle mehr, weder in der Praxis noch in der Ausbildung von Psychiatern oder Psychoanalytikern. Er genüge schlichtweg nicht den wissenschaftlichen Kriterien, sagen die Fachgesellschaften.

Stand: 08.11.2014

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