Mildred Scheel am Telefon

Stichtag

25. September 1974 - Mildred Scheel gründet die Deutsche Krebshilfe

Jedes Jahr erfahren rund eine halbe Million Deutsche: Sie haben Krebs. Dank stetig höherer Lebenserwartung und häufiger genutzter Früherkennung steigt die Zahl. Hoffnung macht aber die Tatsache, dass die Medizin inzwischen ein Arsenal an Waffen gegen viele maligne, d.h. bösartige Tumore hat. Die Diagnose Krebs ist heute oft nicht mehr zwangsläufig ein frühes Todesurteil.

Nach Angaben von Prof. Otmar Wiestler, Vorstandschef des deutschen Krebsforschungszentrums, überlebt inzwischen jeder zweite Patient. Dies und das Wissen in der Bevölkerung um die lauernde Gefahr sind auch ein Verdienst der Deutschen Krebshilfe. Seine Gründung am 25. September 1974 verdankt der Verein dem Engagement der Kölner Ärztin Mildred Scheel.

Das Schweigen über Krebs brechen

Im Mai 1974 gewinnt FDP-Chef und Außenminister Walter Scheel die Wahl zum Bundespräsidenten. Seine Frau Mildred initiiert als First Lady wie alle ihre Vorgängerinnen eine gemeinnützige Organisation. Die Deutsche Krebshilfe wird ihr Lebenswerk, das sie mit aller Leidenschaft vorantreibt. Als sie ihre Arbeit beginnt, gehört Krebs noch zu den Tabu-Themen in der Gesellschaft. Mildred Scheel macht radikal gegen das öffentliche Schweigen mobil: "Mir ist jedes Mittel recht, den Menschen zu zeigen: Hier sind wir, die Deutsche Krebshilfe. Wir wollen euch klarmachen und euch anregen und euch ins Bewusstsein hereinreden: Geht zur Vorsorge!"

Mildred Scheel setzt alles auf die Agenda der Krebshilfe: Neben der Vorsorge die Forschung, Diagnose und Therapie, aber auch psychologische Betreuung und Pflege der Erkrankten. Die erfahrene Röntgenärztin entwickelt präzise Vorschläge zur Tumorbekämpfung. In ihrer klinischen Praxis, so der heutige Krebshilfe-Geschäftsführer Gerd Nettekoven, "hat sie ja mitbekommen, wie Krebspatienten seinerzeit versorgt wurden. Das hat ihr nicht gefallen." Deshalb forciert die Deutsche Krebshilfe unter Scheels Regie Früherkennung, richtet Härtefonds für bedürftige Krebskranke ein und fördert den Bau der ersten Tumorzentren und Palliativstationen.

Krebshilfe in der Kritik

Die forsche First Lady macht sich in der von Hierarchien und Standesdenken geprägten Ärzteschaft nicht nur Freunde. "Bei allen Projekten gab es natürlich Widerstände", erinnert sich Gerd Nettekoven. Doch gegenüber "Göttern in Weiß war sie ganz stark geradeaus." Unermüdlich, selbst bei Staatsbesuchen, wirbt sie um Spenden für ihren Verein, den sie nicht als Expertengremium, sondern als Bürgerbewegung etablieren will. Als sie nach elf Jahren an der Spitze der Deutschen Krebshilfe im Mai 1985 selbst an Krebs stirbt, hat sie umgerechnet über 20 Millionen Euro Spenden gesammelt. Mit Gesamteinnahmen von inzwischen über zwei Milliarden Euro ist die Krebshilfe laut Bundesgeschäftsführer Nettekoven der größte private Geldgeber der Krebsforschung.

In den vergangenen Jahren produziert der milliardenschwere gemeinnützige Verein aber auch Negativ-Schlagzeilen. Namhafte Kritiker werfen ihm Versagen vor, etwa die Überbewertung von Forschungsfortschritten, undurchsichtige Strukturen und verfehlte Förderungspolitik. Der Krebsforscher und Nobelpreisträger Harald zur Hausen, 2010 zum Präsidenten der Deutschen Krebshilfe gewählt, findet so gravierende Mängel und Querelen vor, dass er sein Amt nach vier Monaten wieder aufgibt. Unter seinem Nachfolger, der frühere WDR-Intendant Fritz Pleitgen, hat sich die Deutsche Krebshilfe neu organisiert und ihren Kritikern geöffnet. Bis Anfang 2015 soll der Verein in eine Stiftung umgewandelt werden.

Stand: 25.09.2014

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