Sklaven besteigen mit Sack und Pack einen Raddampfer

Stichtag

20. August 1619 - Erste Sklaven aus Afrika erreichen Nordamerika

Im April 1607 gründen 143 englische Abenteurer an der Ostküste Nordamerikas Jamestown, die erste dauerhafte Siedlung der Briten in der neuen Welt. Anders als erwartet müssen sie von Beginn an um ihr Überleben kämpfen. Indianer greifen an, Nahrung und Trinkwasser fehlen, Krankheiten brechen aus. Nach einem Jahr sind 100 der Neuankömmlinge tot.

Der Boden erweist sich für den Ackerbau als ungeeignet. Doch John Rolfe, der 1614 die legendäre Indianerin Pocahontas heiratet, gelingt es Tabak anzubauen. Der Export nach England sichert das Überleben der Kolonie. Nur an Arbeitskräften für die größer werdenden Plantagen mangelt es. Wieder hat Rolfe Glück. 1619 notiert er: "Gegen den 20. des Monats August kam zu uns ein niederländisches Kriegsschiff, von dem wir 20 Neger kauften."

Profitabler Dreieckshandel

Mit diesen 20 Unglücklichen aus Angola beginnt die Geschichte der Sklaverei in den Vereinigten Staaten. Historiker schätzen, dass insgesamt mindestens elf Millionen Schwarzafrikaner verschleppt wurden, jeder dritte in eine britische Kolonie. Im 17. Jahrhundert entwickelt sich der Sklavenhandel zur Boom-Branche, von dem Englands Royal African Company bestens profitiert. Im Dreieckshandel bringen deren Schiffe Tabak aus Virginia nach Liverpool, schaffen Waren aus britischen Manufakturen nach Afrika, und von dort wertvolles, menschliches Raubgut in die Kolonien.

Anfangs gehen die europäischen Sklavenhändler noch selbst auf die Jagd. Dann organisieren, vor allem in Senegal, Nigeria, Angola, Ghana und im Kongo, immer mehr einheimische Geschäftspartner den Menschenraub. Auf dem größten Sklavenmarkt Virginias in Richmond bringen gesunde Sklaven pro Kopf rund 800 Dollar Gewinn, heute etwa 20.000 Euro. Zu rechtlosen Wesen degradiert und jeder Willkür ausgeliefert schaffen sie auf riesigen Plantagen die Exportschlager der Südstaaten: Tabak, Reis, den Farbstoff Indigo und später Baumwolle.

Verfassungsautor und Sklavenhalter

Mit der schnellen Ausbreitung der Sklaverei reift der Rassismus zur gesetzlich verankerten Südstaaten-Ideologie, ethisch untermauert von dem Glauben: "Die Schwarzen sind den Weißen unterlegen an körperlichem und geistigem Talent. Dieser missliche Unterschied ist ein mächtiger Hinderungsgrund für die Gleichberechtigung dieser Leute." Das Zitat stammt von Thomas Jefferson, der 1776 als Verfasser der Unabhängigkeitserklärung festschrieb, "dass alle Menschen von ihrem Schöpfer mit gewissen, unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben und Freiheit …" Noch als 3. Präsident der USA ist Jefferson überzeugter Sklavenhalter, der auf seiner Tabakfarm bei Richmond über 135 Sklaven herrscht.

Erst 1807 verbietet der US-Kongress den Import von Schwarzafrikanern, nicht aber den Handel. Noch 1860 sind in Richmond 18 "Neger-Händler" registriert, dazu 33 Auktionatoren. Sie verbuchen allein in Virginia einen Jahresumsatz von 3,5 Millionen Dollar, heute rund 70 Millionen Euro. Im selben Jahr wird Abraham Lincoln 16. Präsident der USA. Fünf Jahre dauert sein Kampf für die Sklavenbefreiung, an dem sich der Bürgerkrieg entzündet. Am 18. Dezember 1865 wird Lincolns 13. Zusatzartikel Teil der Verfassung: "„Weder Sklaverei noch Zwangsdienstbarkeit darf, außer als Strafe für ein Verbrechen … in den Vereinigten Staaten bestehen." 250 Jahre, nachdem John Rolfe seine ersten 20 "Neger" kaufte, ist die Sklaverei offiziell abgeschafft. Der Rassismus in den Köpfen dauert an.

Stand: 20.08.2014

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