Stichtag

1. Mai 1844 - Unruhen in München nach Bierpreiserhöhung

Die vorerst letzte Revolution in Deutschland löst 1995 die bayerische Staatsregierung aus. Als die Sperrstunde in einem Münchener Biergarten vorverlegt werden soll, ziehen mehr als 20.000 Menschen protestierend durch die Stadt. Nach wochenlangem Tauziehen muss sich Ministerpräsident Edmund Stoiber dem Volkszorn beugen. Die selbsternannte "Bayerische Biergartenrevolution" hat gesiegt.

Wann immer sich die Obrigkeit beim Bier, Bayerns fünftem Element, einmischt, hört für die Münchener traditionsgemäß der Spaß auf. Das bekommt vor 170 Jahren bereits König Ludwig I. zu spüren. Wegen der damals herrschenden Knappheit an Rohstoffen verordnet Majestät den Brauereien eine deutliche Preiserhöhung. Die folgenden Krawalle um den Gerstensaft gehen als Münchener Bierrevolution in die Stadtgeschichte ein.

Kleinholz im Maderbräu

Vor allem die ärmere Bevölkerung trinkt im 19. Jahrhundert Bier nicht allein des Genusses wegen. "Man darf nicht vergessen, dass Trinkwasser damals nicht so sauber war wie heute", erklärt Rainhard Riepertinger vom Haus der Bayerischen Geschichte. "Nicht zuletzt wegen des Reinheitsgebotes war Bier also in der Tat als flüssiges Brot ein sauberes Grundnahrungsmittel." Entsprechend sauer reagiert deshalb der Soldat Korbinian Stiglmayr, als er am 1. Mai 1844 im Wirtshaus Maderbräu für seine Maß statt fünf plötzlich sechseinhalb Kreuzer zahlen soll.

Zum Vergleich: Ein Tagelöhner kommt zu jener Zeit gerade mal auf 40 Kreuzer im Monat. Spontan solidarisieren sich die übrigen Gäste mit dem erbosten Stiglmayr Korbinian, ein Wort gibt das anderes, bis das gesamte Mobiliar des Maderbräu zu Kleinholz verarbeitet ist. Am nächsten Tag bricht sich der Volkszorn richtig Bahn, denn erst kurz zuvor hatte Ludwig I. bereits den Brotpreis empfindlich angehoben. Tausende randalieren in Brauhäusern und Biergärten gegen die neuerliche Teuerung. Die Polizei muss das Militär zur Hilfe rufen, hat aber die Rechnung ohne die durstigen Soldaten gemacht. Die solidarisieren sich mit den Bier-Rebellen.

Bier-Schlacht mit Kavallerie

Nach vier Tagen Krawall in Brauereien und Wirtshäusern sieht sich der König gezwungen, die verordneten Preiserhöhungen zurückzunehmen. Vier Jahre später kommt es im Nachhall der deutschen Märzrevolution von 1848 erneut zu Unruhen ums Bier. Nicht nur in München, auch in anderen Großstädten wie Nürnberg und Bamberg kämpft das Volk dafür, dass das urbayerische Lebensmittel für alle bezahlbar bleibt. Ludwig I. ist da bereits nicht mehr König. Skandale um seine kostspielige Geliebte Lola Montez kosten ihn erst seine Reputation und dann den Thron.

Aller Proteste zum Trotz steigt der Bierpreis in den folgenden Jahrzehnten immer weiter. Nach mehreren kleineren Unruhen artet 1888 das traditionsreiche Starkbierfest auf dem Münchener Nockherberg zur "Salvator-Schlacht" aus. Zivilisten und Soldaten liefern sich im Keller des Brauhauses eine derart wilde Keilerei, dass eine ganze Kavallerie-Einheit mit gezückten Säbeln eingreifen muss, um die Kampfhähne zu trennen. Die letzte Bierschlacht spielt sich 1910 im oberbayerischen Dorfen ab. Nach einer deftigen Erhöhung der Malzsteuer verlangen die Brauereien zwei Pfennig mehr für eine Maß. Als Streiks und Boykottaufrufe nichts fruchten, brennen die wütenden Dorfener zwei Schänken und fünf Bürgerhäuser nieder.

Stand: 01.05.2014

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