Bundesdatenschutzbeauftragter Joachim Jacob trägt Tätigkeitsbericht vor (2003)

Stichtag

18. Juni 1993 - Bundestag wählt erstmals Datenschutzbeauftragten

Im Jahr 1978 übernimmt der Verwaltungsrechtler Hans Peter Bull ein Amt, das es noch in keinem anderen Land gibt. Als erster Staat hat die Bundesrepublik Deutschland ein Datenschutzgesetz verkündet. Mit dessen Umsetzung wird Bull – wie auch seine beiden Nachfolger - von der Bundesregierung beauftragt.

Eine 1990 beschlossene Gesetzesnovelle stärkt erheblich die politische Unabhängigkeit des Bundesdatenschutzbeauftragten (BfD). Als erster Amtsinhaber wird Joachim Jacob (FDP) am 18. Juni 1993 nicht von der Regierung delegiert, sondern vom Bundestag mit großer Mehrheit gewählt. Der bisheriger Vize des scheidenden BfD Alfred Einweg habe stets "das Machbare zwischen Aufgaben des Staates und Freiheitsrechten des Bürgers" im Blick gehabt, attestiert ihm die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Auf Augenhöhe mit der Regierung

Die rechtliche Aufwertung der Stellung des Datenschutzbeauftragten verdankt Jacob dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur umstrittenen Volkszählung 1983. Die Karlsruher Richter hatten darin dem Gesetzgeber zur Auflage gemacht, den in der Verfassung noch nicht eindeutig geregelten Datenschutz in den Rang eines Grundrechts zu befördern. "Dazu gehörte eben auch, dass Datenschutzbeauftragte unabhängig und auf Augenhöhe mit der Regierung diskutieren können", erläutert Peter Schaar, seit 2003 Jacobs Nachfolger als oberster deutscher Datenschützer.

Joachim Jacob nutzt den nun vom Parlament legitimierten Handlungsspielraum. Massiv wehrt er sich gegen den von der Regierung Kohl geplanten Großen Lauschangriff. Er setzt durch, dass die Bedrohung von Persönlichkeitsrechten beim Einsatz elektronischer Abhöreinrichtungen durch Verfassungszusätze eingeschränkt wird. Sahen sich alle Bundesbeauftragten bislang hauptsächlich als Firewall der Bürger gegen den allzu wissbegierigen Staat, so warnt Jacob nun auch vor den neuen, rasch wachsenden Gefahren des Datenmissbrauchs durch das Internet und digitales Telefonieren.

Datenkraken die Zähne zeigen

Nach Ablauf seiner zehnjährigen Amtszeit zieht Jacob 2003 allerdings ein nüchternes Fazit. Im "Handelsblatt" bescheinigt er den Staatsorganen ein mangelndes "gesellschaftliches Gespür für den Wert der Persönlichkeitsrechte". Jacobs Nachfolger Schaar setzt neue Schwerpunkte für seine Arbeit als Datenschützer der Nation. Angesichts des oft fragwürdig laxen Umgangs mit Daten und deren Speicherung durch global agierende IT-Konzerne hält er eine Reform nationaler Datenschutzgesetze für dringend erforderlich.

Nur eine Zusammenarbeit aller Datenschutzbehörden in Europa, so Schaar, ermögliche es, Datenkraken wie Microsoft, Google oder Facebook "gegebenenfalls die Zähne zu zeigen. Damit man etwa Bußgelder verhängen kann in Höhe bis zu zwei Prozent eines Weltumsatzes." Gegenüber einer allumfassenden weltweiten Überwachung wie durch das Spähprogramm "Prism" des US-Geheimdienstes NSA droht allerdings auch ein Bundesdatenschutzbeauftragter zum zahnlosen Tiger zu verkommen. Mit unverhohlener Skepsis schreibt Schaar am 14. Juni 2013 in seinem Blog: "In den folgenden Wochen und Monaten wird es sich zeigen, ob die allenthalben geäußerte Empörung über die sehr umfangreiche und tief gehende Überwachung zu ernsthaften Konsequenzen führt."

Stand: 18.06.2013

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