Schloss Herrenchiemsee Chiemsee Chiemgau

Stichtag

21. Mai 1878 – Grundsteinlegung von Schloss Herrenchiemsee

Als König fühlt Bayerns Regent Ludwig II. sich wohl – dumm nur, dass die Geschichte im bürgerlichen 19. Jahrhundert bereits über die Monarchie hinweggerollt ist. "Eigentlich ist doch die königliche Stellung und das Herrscheramt das Schönste, Erhabenste auf Erden", lautet sein Credo. "Wehe mir, dass ich in eine solche Zeit hineingeschneit bin, in der mir alles vergällt wird."

In Schloss Herrenchiemsee mit seiner barocken Fassade, seinem streng symmetrisch angelegten Garten und seiner Inneneinrichtung aus Gold und Brokat kann sich Ludwig II. in eine Zeit zurückträumen, in der noch absolutistische Herrscher Europa prägten: 200 Jahre nach der Regentschaft des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. setzt er sich eine originalgetreue Kopie von dessen Residenz in Versailles auf die größte Insel des Chiemsees in Südbayern.

Geldgeschenk zum Machtverlust

Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass die Umsetzung der frankophilen Phantasie des Märchenkönigs erst durch eine Demütigung Frankreichs möglich wird. Denn Ludwig II., der fließend Französisch spricht und sich gerne zum Nachfahren des Adelsgeschlechts der Bourbonen stilisiert, hat nicht die finanziellen Mittel, um Schloss Herrenchiemsee in die Tat umzusetzen.

Die bekommt er ausgerechnet von Reichskanzler Otto von Bismarck, unter dessen Regie nach dem Sieg Preußens im Deutsch-Französischen Krieg 1871 im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Kaiserreich ausgerufen wird. Rund sechs Millionen Mark bezahlt Bismarck in jährlichen Raten an Ludwig – in etwa jene Summe, die Schloss Herrenchiemsee kosten soll. Zuvor allerdings muss der Märchenkönig der Reichsgründung zustimmen.

Mit seiner Unterschrift unter den sogenannten Kaiserbrief wird Ludwig II. politisch machtlos. Architektonisch aber kann er seine Träume in den Bauten wie Schloss Linderhof, Schloss Neuschwanstein oder eben Schloss Herrenchiemsee ausleben. Am 21. Mai 1878 erfolgt hier die Grundsteinlegung. Ziel ist Ludwigs klare Vision: "Ein Tempel des Ruhmes soll mein Schloss werden, worin ich das Andenken an König Ludwig den Vierzehnten feiern will".

Mit welchem Enthusiasmus dies geschieht, zeigt schon das rekonstruierte Schlafzimmer des Sonnenkönigs: Allein am Brokatvorhang rund um das von einer Sonne gekrönte Bett sollen zwanzig Stickerinnen sieben Jahre lang gearbeitet haben. Aus den eingeplanten sechs Millionen Mark Baukosten wird so das Dreifache: umgerechnet rund 180 Millionen Euro.

Wohnung für zehn Tage

Das prunkvolle Schloss Herrenchiemsee baut Ludwig für sich allein, damit ihm tagtäglich die Augen übergehen: "Selbst will ich schauen – kein Schauobjekt für die Menge sein." Während sein Vorbild Ludwig XIV. noch einen Hofstaat mit mehreren Tausend Personen um sich versammelt, zelebriert Bayerns König in den endlosen Fluren und Zimmerfluchten bewusst die Einsamkeit.

Tatsächlich verbringt Ludwig II. ganze zehn Tage wohnend in seinem Versailles-Ersatz. Hingegen wird der Prachtbau noch im Jahr seines rätselhaften Todes im Starnberger See zum "Schauobjekt für die Menge": Wie die anderen Residenzen des Märchenkönigs, so öffnet auch Schloss Herrenchiemsee 1886 seine Tore für den Publikumsverkehr. Jährlich kommen rund 500.000 Besucher.

Stand: 21.05.2013

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