Heinrich Himmler, Reichsführer-SS

Stichtag

26. April 1933 - Die "Geheime Staatspolizei" (Gestapo) wird gegründet

"Volksgenossen, meine Maßnahmen werden nicht angekränkelt sein durch irgendwelche juristischen Bedenken", verkündet der preußische Innenminister Hermann Göring am 3. März 1933 - rund einen Monat nach Adolf Hitlers Machtübernahme. "Hier habe ich keine Gerechtigkeit zu üben, hier habe ich nur zu vernichten und auszurotten, weiter nichts!" Zur Bekämpfung angeblich staatsfeindlicher Bestrebungen gründet Göring einen Monat später eine spezielle Organisation: Am 26. April 1933 richtet er in Preußen mit einem Runderlass die "Geheime Staatspolizei" (Gestapo) ein.

Doch es gibt Konkurrenz aus München: Zur gleichen Zeit baut der "Reichsführer-SS" Heinrich Himmler dort die "Bayerische Politische Polizei" auf. Er will die Polizei im gesamten Reich unter sein Kommando bringen - einschließlich der Gestapo. Im folgenden Jahr ist er am Ziel: "Im Jahr 1934 übergab mir dann der damalige Ministerpräsident Hermann Göring, unser Reichsmarschall, in einer unerhörten Großzügigkeit die Geheime Staatspolizei Preußens", sagt Himmler später. Offiziell wird er 1936 zum Chef der gesamten deutschen Polizei ernannt. Er verzahnt SS und Polizei - und sorgt bei Hitler für freie Hand: Per Gesetz wird am 10. Februar 1936 festgelegt, dass sich die Gestapo an keinerlei Gesetze halten muss. Was immer sie tut, um Oppositionelle auszuschalten oder die NS-Rassenpolitik durchzusetzen, alles ist legal: Folter, Mord, Verschleppung ins KZ. In Paragraf sieben heißt es: "Verfügungen und Anordnungen der Geheimen Staatspolizei unterliegen nicht der Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte."

Betriebsausflüge ins KZ

Die Popularität der Gestapo in der Bevölkerung wird in der Geschichtsforschung lange unterschätzt. Die sogenannte Schutzhaft, bei der die Gestapo willkürlich Regimegegner verhaftet, begrüßen viele "Volksgenossen" sogar. Es gibt zum Beispiel Betriebsausflüge ins KZ: "Die Berliner Finanzverwaltung hat jedes Jahr Ausflüge ins Konzentrationslager Sachsenhausen unternommen", sagt Andrea Nachama, Leiter der Berliner Gedenkstätte "Topografie des Terrors". Es habe mindestens ein Akzeptieren gegeben, sagt der Karlsruher Historiker Michael Stolle, "dass es so eine Einrichtung wie die Gestapo brauchte". Denn die politische Polizeibehörde sei letztlich dafür da gewesen, die ohnehin angefeindeten Minderheiten im Reich zu verfolgen.

Die Gestapo braucht keine bezahlten Spitzel. Die Deutschen verraten sich gegenseitig. Das erleichtert die Überwachung enorm - und spart Personal. Im ganzen Reich hat die Gestapo bei Kriegsbeginn lediglich etwa 7.000 Mitarbeiter. Während des Zweiten Weltkriegs steigt allerdings deren Anzahl: Die Gestapo organisiert den Völkermord. Allen voran Adolf Eichmann, der das sogenannte Judenreferat leitet. Die Gestapo stellt auch Beamte für die "Einsatzgruppen" der SS zur Verfügung, die in den "besetzten Gebieten" morden.

Fortsetzung der Karriere nach Kriegsende

Bei Kriegsende gibt es etwa 25.000 Gestapo-Mitarbeiter. Jetzt stehen sie ganz oben auf der Liste der gesuchten Nazis. Im Nürnberger Prozess von 1945/46 wird die Gestapo zur verbrecherischen Organisation erklärt. "Die breite Mehrheit der Gestapo-Beamten geriet in Haft", sagt Historiker Stolle. Ihre durchschnittliche Haftzeit habe drei Jahre betragen. Im Kalten Krieg werden allerdings viele Gestapo-Beamte in die neu geschaffenen Behörden aufgenommen. Ihr zweifelhafter Sachverstand ist wieder gefragt. Die erste Führungsspitze des Bundeskriminalamtes besteht fast komplett aus ehemaligen Gestapo-Beamten und SS-Führern.

Auch andere Länder nehmen die Dienste der Altnazis in Anspruch. Für den britischen Geheimdienst arbeitet nach dem Krieg der Gestapo-Führer Horst Kopkow, einst verantwortlich für die Ermittlungen gegen die Attentäter des 20. Juli 1944. Nach vier Jahren beim "MI6" in London verschaffen ihm die Briten eine neue Identität in Deutschland. Der US-Geheimdienst beschäftigt den "Schlächter von Lyon", Klaus Barbie, der unter anderem den Résistance-Chef Jean Moulin zwei Tage lang zu Tode quält. Aber auch in der DDR werden verurteilte Gestapo-Massenmörder als Informelle Mitarbeiter (IM) der Stasi angeworben.

Stand: 26.04.2013

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