TV-Koch Johann Lafer in Edelstahl-Küche

Stichtag

17. Oktober 1912 - Krupp meldet Edelstahl zum Patent an

Giftige Laugen, ätzende Säuren, Teer und Chlor halten Ende des 19. Jahrhunderts Einzug in die chemische Industrie. Damit tritt ein neues Problem auf: Während schon Wasser die Eisenleitungen und Kessel rosten lässt, nagen diese aggressiven Stoffe erst recht an dem zur Verfügung stehenden Stahl. Unternehmen wie Bayer, BASF oder Hoechst benötigen dringend ein Metall, das Korrosion, hohen Drücken und Temperaturen widersteht.

In den 1880er Jahren hatte der Stahl-Industrielle Friedrich Alfred Krupp nicht nur ein Hüttenwerk in Rheinhausen gebaut, sondern im Essener Stammwerk auch ein Labor für Materialforschung eingerichtet. Dort sucht der jüdische Physiker Benno Strauß, seit 1899 Leiter der Versuchsanstalt, fieberhaft nach einer nicht rostenden und korrosionsunempfindlichen Stahl-Legierung.

Patentanmeldung im Geheimen

Nach vier Jahren finden Strauß und sein Ingenieur Eduard Maurer die Lösung, indem sie herkömmlichem Eisen 18 Prozent Chrom und 8 bis 10 Prozent Nickel beimischen. So entsteht der erste rostfreie Standard-Edelstahl, von Experten "18/10" genannt. Ein Stab aus einer Legierung mit 20 Prozent Chrom und zwei Prozent Nickel, so führt Strauß in der Patentschrift aus, zeige nach monatelanger Einwirkung feuchter Luft noch eine vollkommen blanke Oberfläche. Die Fried. Krupp AG will die Konkurrenz aber nicht auf ihre bahnbrechende Erfindung aufmerksam machen, um den Wettbewerbsvorteil so lange wie möglich zu nutzen.

Deshalb reicht Krupp die Patentschrift "Herstellung von Gegenständen, die hohe Widerstandskraft gegen Korrosion erfordern, nebst thermischem Behandlungsverfahren" am 17. Oktober 1912 unter dem Namen eines unbekannten Mitarbeiters von Benno Strauß ein. Das neue Metall, das die Einsatzmöglichkeiten von Stahl auf einen Schlag vervielfältigt, erhält den bis heute populären Markennamen "Nirosta" (Nicht rostender Stahl). Unter diesem Oberbegriff werden im Lauf der Jahre zahlreiche weitere Legierungen entwickelt, denn nicht nur die Chemieindustrie stürzt sich auf den Edelstahl.

Superstahl für effizienten Stromtransport

Auch Architekten und Designer entdecken das rostfreie, kratzfeste, verformbare und gut aussehende Metall für sich. So wird 1930 in New York das neue Chrysler Building, damals das höchste Gebäude der Welt, mit einer aufsehenerregenden, 56 Meter hohen Art-Déco-Spitze aus Edelstahl gekrönt. Lieferant der Bauelemente ist natürlich die Essener Fried. Krupp AG. Für Hausgeräte-Unternehmen wird Edelstahl ebenfalls unverzichtbar, etwa bei der Herstellung von Waschmaschinen-Trommeln oder für Hochglanz-Küchenausstattungen. Der jüdische Nirosta-Erfinder Strauß erhält 1935 von Krupp die Kündigung. Neun Jahre später stirbt er in einem Nazi-Arbeitslager.

Gegenwärtig werden weltweit rund 30 Millionen Tonnen Edelstahl pro Jahr hergestellt. Neuartige  Legierungen mit Titan, Mangan, Molybdän und teuren Seltenen Erden sind selbst extremsten Bedingungen in Kraftwerken oder der Luft- und Raumfahrt angepasst. Thyssen-Krupp hat einen "Superstahl" entwickelt, der, für Hochspannungsmasten zu dicken Seilen geflochten, bei gleichem Durchmesser doppelt so viel Strom leiten kann wie der Vorgänger-Stahl.

Doch das Ende der Nirosta-Ära beim Nachfolger des Ursprungskonzerns Krupp ist besiegelt. Im Februar 2012, 100 Jahre nach der Erfindung des Edelstahls durch Benno Strauß, gibt Thyssen-Krupp den Verkauf seiner traditionsreichen Tochter an den finnischen Konkurrenten Outokumpu bekannt.

Stand: 17.10.2012

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