Archäologen bei Grabungsarbeiten am Herodeion (Foto s/w)

Stichtag

8. Mai 2007 - Das Grab von Herodes dem Großen wird gefunden

Wie ein erloschener Vulkan ragt der künstlich geschaffene Hügel aus der kargen Landschaft des Westjordanlands. Einst stand dort, zwölf Kilometer vor Jerusalem, das Herodeion, ein prunkvoller, festungsartiger Palast, erbaut von Herodes dem Großen. Seit den 1960er Jahren suchte der israelische Archäologe Edud Netzer, ein ausgewiesener Herodes-Experte, nach dem Grab des Königs, der als grausamer Kindermörder von Bethlehem in die Geschichte eingegangen ist. Antiken Quellen zufolge war Herodes am Herodeion bestattet worden, doch es sollte bis zum 8. Mai 2007 dauern, bis Netzer endlich fündig und sein Lebenstraum wahr wurde.

Auf halber Höhe des Burgbergs entdeckten seine Mitarbeiter eine monumentale Mauer, die sich als Teil des völlig zerstörten Mausoleums herausstellte. Inschriften, die eindeutig auf das Herodes-Grab verweisen, konnte Netzer nicht finden, dafür aber Dutzende Bruchstücke äußerst kunstvoll gearbeiteter Sarkophage, die nur ranghohen Toten vorbehalten waren. Sofort nach dem Sensationsfund begann es in der nahöstlichen Politik zu brodeln. Palästinenser und jüdische Siedler interpretierten die Artefakte gleichermaßen als Beweis ihrer Ansprüche im Westjordanland. Ironie der Geschichte: aufgrund seiner Herkunft war Herodes sowohl Araber als auch Jude. Sein Vater war Idumäer, seine Mutter vom arabischen Stamm der Nabatäer. Zur Zeit von Herodes Geburt um 73 v.Chr. gehörten die Idumäer bereits seit zwei Generationen zum Reich Judäa; das bedeutete auch, dass Herodes’ Familie den mosaischen Gesetzen gehorchte, also  jüdisch war.

Günstling Roms und Gattinnenmörder

Vom Vater, einem einflussreichen Berater des judäischen Königs, lernt Herodes alle Geheimnisse und Winkelzüge der Machtpolitik. Früh erkennt er die Bedeutung der aufsteigenden Weltmacht Rom: Wer auf das Imperium setzt und ihm treu bleibt, hat gute Karten im innerjüdischen Machtkampf. Denn die alteingesessenen jüdischen Familien verfolgen den Aufstieg der "Herodianer" mit Argwohn. Für Herodes läuft es zunächst alles andere als gut: sein Vater wird ermordet und in Jerusalem kommt eine Rom-feindliche Fraktion an die Macht. Herodes flieht nach Rom. Dort trifft er auf alte Freunde seines Vaters, auf Marc Anton und Oktavian. Die haben volles Vertrauen in den mittlerweile 33jährigen – und ernennen ihn zum König Judäas.

Allerdings muss er sich seinen Thron erst erobern. Das dauert drei lange Jahre und endet mit dem Tod vieler seiner jüdischen Gegner. Um die innenpolitische Fehde diplomatisch zu lösen, heiratet Herodes sogar eine Tochter aus altem judäischem Adel: Mariamme. Doch die Rechnung geht nicht auf. Intrigen bestimmen den Alltag am Königshof. Die insgesamt zehn Ehefrauen von Herodes tragen ihren Teil dazu bei. Wittert Herodes Gefahr, ist der Henker nicht weit. Er macht selbst vor der eigenen Familie nicht Halt. So lässt er auch Mariamme und drei seiner Söhne hinrichten.

Als Antichrist verleumdet

Moderne Historiker sagen: dieser blutige Herrschaftsstil sei in der Antike üblich gewesen. Und sie stellen König Herodes ein positives Zeugnis aus. Immerhin habe der Despot bis zu seinem Tod 4 v.Chr. mehr als 30 Jahre lang regiert. Als Politiker und Bauherr habe er Großartiges geleistet und seinem Volk Jahrzehnte relativ großer politischer Eigenständigkeit gesichert, urteilt der Jenaer Professor und Herodes-Biograf Manuel Vogel. Zu Herodes’ architektonischen Meisterleistungen zählen die Gründung der Hafenstadt Caesarea Maritima, die hängenden Gärten von Masada und der Tempel-Neubau in Jerusalem, dessen teilweise erhaltene Grundmauer heute als "Klagemauer" weltbekannt ist.

Dass diese Ruhmestaten in Vergessenheit geraten und Herodes als verruchter Bibel-Schurke unsterblich wird, geht auf den Evangelisten Matthäus zurück. "…und er ließ in Bethlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten", schreibt er entgegen der historischen Wahrheit über 60 Jahre nach der Geburt Jesu. Professor Vogel, Experte für das Neue Testament, kennt Matthäus’ Motiv für die Herodes-Verleumdung: "Es gibt keinen messianischen Knaben, dem nicht der Satan…nach dem Leben trachtet." Matthäus brauchte also eine Personifizierung des Bösen, den Antichristen schlechthin - und fand in Herodes den idealen Kandidaten.

Stand: 08.05.2012

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