Stichtag

20. Januar 2004 - Vor 20 Jahren: Verteidigungsausschuss untersucht Kießling-Affäre
(K)ein homosexueller Vier-Sterne-General?

Eigentlich war alles abgesprochen. Am 31. März 1984 soll Günter Kießling, der stellvertretende NATO-Befehlshaber in Europa, auf eigenen Wunsch in den Vorruhestand verabschiedet werden. Wegen Differenzen mit seinem Chef, dem US-Amerikaner Bernhard W. Rogers, wird gemunkelt. Doch plötzlich wird der Abschied auf Jahresende 1983 vorverlegt. Verteidigungsminister Wörner entlässt, wie es das Soldatengesetz erlaubt, den Spitzenmilitär ohne Angaben von Gründen. Doch die Hintergründe der Personalie dringen bald in die Öffentlichkeit. Kießling soll homosexuell sein, sei deshalb erpressbar und mithin ein Sicherheitsrisiko. Wörner stützt sich auf Informationen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der Kießling Kontakte in die Homosexuellen-Szene Kölns nachzuweisen glaubt.

Doch schnell geraten die Anschuldigungen ins Zwielicht. Ein Journalist des Kölner "Express" findet heraus, dass "Günter von der Bundeswehr", Stammgast in der Kölner Schwulen-Bar "Tom-Tom", nicht der Vier-Sterne-General ist. Am 20. Januar 1984 erklärt sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages zum Untersuchungsausschuss. Aus der Affäre Kießling wird allmählich die Affäre Wörner. Sein Staatssekretär und der Chef des MAD müssen gehen. Am 28. Juni 1984 diskutiert der Bundestag den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses. Die heftigen Attacken der Opposition können nichts daran ändern - der Kanzler hält am wackelnden Verteidigungsminister fest, der später noch zum NATO-Generalsekretär avanciert.

Stand: 20.01.04