Stichpunkt

20. September 2010 - Vor 1045 Jahren: Der arabische Gelehrte Alhazen wird geboren

Ein seltsamer Mann steht vor tausend Jahren als Wesir in den Diensten des Kalifen von Bagdad. Abu Ali al-Hasan ibn al-Hasan al-Haitham, um 965 in Basra, im Süden des heutigen Irak geboren, hat es dank hoher Intelligenz und exzellenter Ausbildung bis ins höchste Staatsamt gebracht. Doch Alhazen, so sein in Europa überlieferter, latinisierter Name, geht nicht als Regierungsbeamter in die Geschichte ein, sondern als scheinbar wahnsinniger Gelehrter. Denn Alhazens Leidenschaft gehört nicht den Staatsgeschäften, sondern der noch geheimnisvollen Welt der Wissenschaft. Mit aller Kraft will er sich allein der Suche nach den Gesetzen und Wahrheiten der Natur widmen. So täuscht Alhazen dem Kalifen eine plötzliche Geisteskrankheit vor und schafft sich damit die Freiheit für ein Leben als Gelehrter und Forscher - ein arabischer "mad scientist".

Wortbruch am Nil

Doch Bagdads Blütezeit ist längst vorbei. Als Gelehrten-Paradies lockt nun das ägyptische Kairo, wo Kalif al-Hakim im Jahr 1005 ein in der arabischen Welt einzigartiges "Haus der Wissenschaft" gegründet hat, unter dessen Dach Experten aller Fachgebiete forschen und lehren. Um in diesen Garten Eden der Gelehrten berufen zu werden, verbreitet Alhazen, den Nil regulieren zu wollen und damit die regelmäßigen Überflutungen einzudämmen. Kalif al-Hakim erfährt von dem Plan und beauftragt Alhazen mit dem Mammut-Projekt. In Ägypten erkennt der Gelehrte jedoch schnell, dass die in seiner Heimat an Euphrat und Tigris seit uralten Zeiten angewandten Techniken am mächtigen, schnell fließenden Nil zum Scheitern verurteilt wären. Nach seiner Erkundungsreise kehrt Alhazen kleinlaut nach Kairo zurück und flüchtet sich vor der Wut des Kalifen erneut in den Wahnsinn, worauf al-Hakim den Wortbrüchigen entmündigt und unter Hausarrest stellt. Normal 0 21 false false false MicrosoftInternetExplorer4

Entschlüsselung des Lichts

Statt zu verzweifeln, verwandelt Alhazen sein Gefängnis in ein Forschungslabor und widmet sich fortan ungestört seinen bahnbrechenden Experimenten, vor allem auf dem Gebiet des Sehens. Akribisch dokumentiert Alhazen in seinem Werk "Kitab fi ‚l-Manazir" (Buch der Optik), wie er schrittweise die Geheimnisse der Lichtstrahlen und des menschlichen Auges erschließt. Dabei formuliert er bereits die Idee einer Brille, die erst 300 Jahre später in Europa vom Mönch Roger Bacon erfunden wird. Alhazen selbst konstruiert die erste Camera Obscura, den Urahn des Fotoapparats, sowie "gläserne Lesesteine" - und wird damit zum Erfinder der Lupe.Als Kalif al-Hakim 1021 stirbt, kann Alhazen die Maske des Irren fallenlassen und erhält alle Rechte zurück. Lebensunterhalt und Forschung muss er sich aber nun bis zu seinem Lebensende um 1040 in Kairo als Kopist berühmter Bücher verdienen. Seit 2003 ehrt der Irak den berühmten Gelehrten aus Basra mit einem – fiktiven - Porträt auf der 10.000-Dinar-Banknote.

Stand: 20.09.10