Stichtag

29. Juli 2010 - Vor 85 Jahren: Komponist Mikis Theodorakis wird geboren

Fünf Jahrzehnte lang hat seine Stimme die politische Entwicklung in Griechenland maßgeblich beeinflusst. An seinem 85. Geburtstag wird Mikis Theodorakis, der Märtyrer des Widerstands, gefeierte Sänger der Revolution und wendefreudige Politiker der Republik, als nationaler Säulenheiliger und lebende Ikone der Freiheit verehrt. Musikalisch kann der bedeutendste griechische Komponist des 20. Jahrhunderts auf ein gewaltiges Werk zurückblicken. Weit mehr als 1.000 Sinfonien, Opern, Ballette, dazu Kantaten, Oratorien und Filmmusiken hat Theodorakis geschrieben. Zur Symbolfigur des linken Kampfes machen ihn jedoch seine einfachen, emotionalen Volkslieder, die in der griechischen Tradition wurzeln und in deren Texten er die großen Dichter seines Landes zum Klingen bringt.

Mit "Alexis Sorbas" zu Weltruhm

Bereits als 17-jähriger Musikstudent schließt sich der am 25. Juli 1925 auf Chios geborene Michalis, genannt Mikis, dem Widerstand gegen die deutschen Nazi-Besatzer an. Zum ersten Mal in seinem Leben wird er verfolgt, verhaftet und gefoltert. Direkt nach Ende des Weltkriegs erleidet Theodorakis als kommunistischer Kämpfer im griechischen Bürgerkrieg dasselbe Schicksal und kommt erst 1950 schwer krank aus dem gulagartigen Straflager Makronissos frei. Von Paris aus stößt Theodorakis 1958 mit seiner Musik eine Kulturrevolution in Griechenland an. Er vertont die sozialkritischen Texte des Dichters Yannis Ristos zu den Klängen eines verpönten Volksinstruments: der Bouzouki. Der Soundtrack zum Oscar-prämierten Kultfilm "Alexis Sorbas" (1964) und die Ballade "Mauthausen" (1965), gesungen von der 16-jährigen Maria Farantouri, machen Mikis Theodorakis weltberühmt. Während seine Musik in Griechenland die Suche des Volkes nach einer eigenen modernen kulturellen Identität befeuert, setzt der 1961 heimgekehrte Komponist im griechischen Parlament als Abgeordneter der gemäßigten Linken den politischen Kampf fort.

Enttäuschter Linker

Nach dem Putsch der faschistischen Militärjunta unter General Papadopoulos 1967 steht Mikis Theodorakis als Staatsfeind Nr. 1 auf den Verhaftungslisten; seine Lieder zu singen ist der Bevölkerung unter Androhung von Gefängnis verboten. Wieder wird Theodorakis verhaftet, gefoltert und interniert. Doch Freunde schmuggeln seine Lieder ins Ausland, wo sie unter anderem von der Deutschen Welle in Köln verbreitet werden. Anhaltende Protestaktionen international bekannter Künstler zwingen die Junta schließlich 1970, Theodorakis nach Paris ausreisen zu lassen. Während seiner Konzertreisen empfangen ihn Politiker wie Ägyptens Gamal Abdel Nasser oder Palästinenserchef Jassir Arafat; Francois Mitterand und Willy Brandt werden zu Freunden. Enttäuscht von der Zersplitterung der Linken im griechischen Parlament nach der Junta-Zeit wechselt Theodorakis mehrfach die Partei und scheidet 1988 als Abgeordneter aus. Zwei Jahre später steigt er zur Empörung vieler seiner Anhänger als Minister ohne Geschäftsbereich bis 1992 in das konservative Kabinett Mitsokakis ein.Mit einem Konzert Ende November 1999 in Frankfurt tritt Mikis Theodorakis als Interpret endgültig von der Bühne ab. Seither lebt "die tragende Säule der modernen griechischen Kultur" (Neue Zürcher Zeitung), als gefeierter Komponist weiter kreativ, zurückgezogen in Athen. Doch auch hoch in den Achtzigern schlägt sein Herz weiter links. Gern poltert er hin und wieder vernehmlich gegen die US-Regierung, Israels Palästinenser-Politik oder den "polemischen" Bericht des "Spiegel" über die aktuelle Finanzkrise seines Landes.

Stand: 29.07.10