Stichtag

21. April 2009 - Vor 145 Jahren: Max Weber wird geboren

"Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will." Max Webers Texte sind nüchtern, präzise, emotionslos. Der Jurist, Nationalökonom und Historiker hat Anfang des 20. Jahrhunderts die moderne Soziologie begründet. Sein Schreibstil ist schwer lesbar: Er reichert seine Bandwurmsätze noch mit Fußnoten an. Die Anmerkungen sind teilweise länger als der Haupttext. Andere Soziologen seiner Zeit haben origineller gedacht und besser geschrieben: Georg Simmel, Werner Sombart, Émile Durkheim. Aber Max Weber ist zum Klassiker geworden. Durch seine strenge Systematik hat er die Soziologie vom Ruch der Beliebigkeit befreit.

Webers Herrschaftstypologie, die Idee vom Charismatischen Führer, seine Begriffe Verantwortungsethik und Gesinnungsethik bringen es bis in den Politikunterricht heutiger Gymnasien. Seine These über den Zusammenhang zwischen protestantischer Ethik und Kapitalismus hat ihn weltberühmt gemacht. Demnach begünstigt der Calvinismus mit seiner strikten Arbeitsmoral die Entstehung des modernen Kapitalismus. Weber selbst ist meistens weder arbeitsversessen noch genussfeindlich. Er wird am 21. April 1864 in Erfurt als gutsituierter Bürgersohn geboren.  Er studiert in Heidelberg, Berlin und Göttingen Jura, Nationalökonomie, Philosophie und Geschichte. Als Student und junger Professor pflegt er sein Image als Rabauke und Genussmensch, der viel isst und trinkt. Später ist er über Jahre unfähig, zu lehren. Er leidet an einer schweren Nervenkrankheit - und an einem "sexuellen Schwächezustand", wie seine Frau Marianne es ausdrückt. Von diesem Zustand wird er erst befreit, als seine Studentin Else Jaffé seinen bis dahin unterdrückten Masochismus freilegt.

Bis 1919 - fast 20 Jahre - dauert es, bis Weber seine Lehrtätigkeit wieder aufnimmt. Bis dahin schreibt er, doch viele Schriften bleiben Fragmente. Sein Hauptwerk "Wirtschaft und Gesellschaft" wird erst nach seinem Tod von seiner Frau veröffentlicht. Dennoch prägt Weber schon zu Lebzeiten den Hochschulbetrieb: Zusammen mit seiner Frau veranstaltet er in seiner Heidelberger Villa regelmäßig Gesprächszirkel. Wie jeden Sonntag folgen vor allem Studenten und Nachwuchs-Akademiker der Einladung zum Jour fixe. Darunter sind neben dem jungen Karl Jaspers auch die kommunistischen Philosophen Ernst Bloch und Georg Lukacs, ebenso wie der spätere Innenminister der Weimarer Republik Gustav Radbruch. Im Zentrum der Gespräche steht immer Max Weber mit seinem enormen Wissen. "Er war", erinnert sich seine Frau, "wie ein vollgesogener Schwamm!" Weber verbindet in diesen Gesprächen nüchterne Wissenschaft mit Leidenschaft: "Nichts ist für den Menschen als Menschen etwas wert, was er nicht mit Leidenschaft tun kann." Er stirbt am 14. Juni 1920 im Alter von 56 Jahren in München.

Stand: 21.04.09