Die US-Zeitung Wall Street Journal

Stichtag

08. Juli 2009 - Vor 120 Jahren: Das "Wall Street Journal" erscheint erstmals

Ende des 19. Jahrhunderts erschüttert alle paar Jahre eine Firmen- oder Bankenpleite die New Yorker Finanzwelt. Die Aktienbörse an der Wall Street, die heutige "New York Stock Exchange" (NYSE), ist zu diesem Zeitpunkt zwar fast schon 100 Jahre alt, aber verlässliche Informationen sind noch immer Mangelware.

Ein Großteil der Kursbewegungen sind Folge von Gerüchten und Manipulationen. Drei junge Männer - Charles Dow, Edward Jones und Charles Bergstresser  - wollen dem etwas entgegensetzen. Ihre Devise: Nur glaubwürdige Informationen bringen Stabilität in das labile Finanzsystem. Zum Beispiel durch einen täglich neu gemessenen, nachvollziehbar errechneten Aktien-Index: der spätere Dow-Jones-Index.

Die drei Männer eröffnen 1884 ein kleines Nachrichtenbüro an der Broad Street 44, zwei Blöcke von der Börse entfernt, und geben einen regelmäßigen Textdienst heraus, den "Customer's Afternoon Letter". Darin verbreiten Dow und Jones Nachrichten, aber auch Klatsch und Tratsch, den sie bei ihren Recherchen im Börsenviertel erfahren. Fünf Jahre später wird daraus eine Tageszeitung, deren Namen Bergstresser bestimmt. Das Blatt soll heißen wie die Geld-Meile, um die sich alles dreht: "The Wall Street Journal". Die erste Ausgabe erscheint am 8. Juli 1889 und kostet zwei Cent. Auf der vierspaltigen Titelseite werben Banken und Börsenmakler. Der erste Artikel trägt den Titel "Die Märkte heute" - keine Fotos, keine Riesen-Lettern. Diesen nüchternen Journalismus pflegt die Zeitung bis heute.

In der Millionenstadt New York gibt es damals schon das Boulevard-Blatt "New York Post" und die seriöse "New York Times". Doch Dow, Jones und Bergstresser haben eine andere Zielgruppe im Auge: die konservative, vermögende Oberschicht. Die bildet bis heute die Leserschaft der Zeitung, sagt Hans Joachim Kleinsteuber, Professor für Journalismus und Politik an der Universität Hamburg: "Auf allen Meinungsseiten wird eine neo-konservative Position vertreten, wie sie typisch auch von der Bush-Administration vertreten wurde." Der durchschnittliche "Wall Street Journal"-Leser verdient jährlich 210.000 Dollar und hat ein Vermögen von 2,5 Millionen Dollar. Mit einer Auflage von zwei Millionen ist das Journal die Nummer zwei auf dem US-Zeitungsmarkt - hinter dem Boulevard-Blatt "USA Today". Im August 2007 hat der für seine Schmuddel-Blätter bekannte Rupert Murdoch mehr als fünf Milliarden Dollar für die Dow-Jones-Gruppe bezahlt. Befürchtungen, dass deren Flagschiff "Wall Street Journal " dadurch sein Niveau verlieren könnte, haben sich bisher nicht bestätigt, so Kleinsteuber.

Stand: 08.07.09