Stichtag

12. Oktober 2006 - Vor 75 Jahren: Christus-Statue auf dem Corcovado eingeweiht

Der erste, den er bekehrt, ist ein betrunkener Matrose aus Irland - so die Legende. Der Mann wankt am 12. Oktober 1931 vom Schiff und sieht in den Nachthimmel von Rio de Janeiro. Da erscheint ihm Jesus Christus, strahlend und mit ausgebreiteten Armen. Der Matrose flieht an Bord zurück und schwört gottesfürchtig, nie wieder Alkohol zu trinken. An diesem Abend ist die Beleuchtung der Christus-Statue auf dem rund 700 Meter hohen Monte Corcovado in Betrieb genommen worden, ferngesteuert aus Italien von Radio-Erfinder Guglielmo Marconi. Zuvor hatte der brasilianische Staatspräsident Getúlio Vargas die Erlöserstatue eingeweiht.Die Idee für den Bau des Monuments haben Vertreter der katholischen Kirche und brasilianische Politiker: Es soll 1922 als nationales Denkmal an das 100-jährige Jubiläum der Unabhängigkeit von Portugal erinnern. Der brasilianische Architekt Costa Silva macht 1921 Entwürfe der Erlöserfigur - mit gekreuzten und offenen Armen. Doch die Stadt hat kein Geld. Der Bau verzögert sich bis die Erzdiözese von Rio und der Vatikan finanziell einspringen. Die Formen für die Hände und den Kopf der Statue werden vom französischen Bildhauer Paul Landowski geschaffen und nach Rio de Janeiro geschickt. Dort wird die 30 Meter hohe Statue auf einem acht Meter hohen Sockel errichtet, in dem sich eine Kapelle befindet. Die mit Speckstein überzogene Beton-Figur hat ein Gesamtgewicht von 1.145 Tonnen und eine Spannweite von 28 Metern.

Als die Statue eingeweiht wird, soll sie Verheißung für ein modernes Brasilien sein: Der populistische Präsident Vargas plant den "Estado novo", den neuen Staat mit rascher Industrialisierung, Ordnung und Wohlstand: "Man muss die Revolution machen, ehe das Volk sie selbst macht." Eine wirkliche Demokratie steht allerdings nicht auf seiner Agenda. Die materiellen Versprechungen von damals haben sich nur für eine Minderheit der Brasilianer erfüllt. Die Christus-Figur auf dem Corcovado, dem buckligen Berg dreht der "Zona Norte" den Rücken zu. Dort leben Millionen "Cariocas", wie die Einwohner Rios heißen, unter der Kontrolle von Drogenbanden in den Favelas, den Elendsvierteln.

Stand: 12.10.06