Eine Szene aus dem Spielfilm "Der Untertan"

31. August 1951 - Premiere des DEFA-Films "Der Untertan"

Stand: 31.08.2016, 00:00 Uhr

"Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte und sich vor allem fürchtete." So lautet der erste Satz von Heinrich Manns "Der Untertan" und so beginnt auch die DEFA-Verfilmung des berühmten Romans um den prototypischen wilhelminischen Spießbürger. Ganze viereinhalb Minuten braucht Regisseur Wolfgang Staudte dann, um Diederichs Entwicklung vom verängstigten und weinerlichen Kleinkind zum strammen und obrigkeitstreuen Patrioten zu zeigen.

Im Film eine rasante Abfolge grotesker Szenen: Eltern, Lehrer, Pfarrer ersticken mit Schlagstock und Drill jeglichen Widerspruchsgeist. Zeitgleich entdeckt der Junge seine Freude daran, Mitschüler zu denunzieren und bloßzustellen. Nach Schule, Militärdienst und Universität hat Heßling die zwei Seiten des autoritären Charakters verinnerlicht: kriecherisches Duckmäusertum, selbstherrliches Machtgebaren.

Der Prototyp des wilheminischen Spießers

Als Heinrich Mann 1914 seinen Roman vollendet, erkennt die Zensur im Kaiserreich die Brisanz des Stoffs und lässt einen Vorabdruck stoppen. "Der Untertan" darf erst nach dem Ende des Kaiserreichs 1918 vollständig erscheinen. Mehr als drei Jahrzehnte und einen Weltkrieg später beginnen im März 1951 in den DEFA-Filmstudios in Potsdam die Dreharbeiten für die Verfilmung von Manns Satire über die Machtfixiertheit und den Gehorsamkeitskult im Kaiserreich.

Der von Mann skizzierte Diederich Heßling eignet sich hervorragend für die von der DEFA gewünschte Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit. "Es waren ja die im Kaiserreich Geborenen und Aufgewachsenen, die im Nationalsozialismus an den Schaltstellen waren und die den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg verantwortet hatten", erklärt Medienwissenschaftler Michael Grisko. Regisseur Staudte interessieren weniger die geschichtlichen Ereignisse um 1900 als vielmehr die Strukturen von Macht und (Doppel-)Moral und wie sich die Menschen in militärischen und nationalistischen Gesellschaften inszenieren - sowohl privat als auch öffentlich.

Pflichtprogramm in der DDR, verboten in der BRD

Und Staudte verlängert die Handlung in die Gegenwart. Heinrich Manns Roman endet damit, dass Heßling ein Kaiserdenkmal auf dem Marktplatz enthüllt. Ein Gewitter zieht auf, das Publikum nimmt Reißaus. Diederich bleibt als einziger stehen, sturmumtost, aber mannhaft. Im Film geht die Geschichte weiter. Staudte zeigt in einer Überblendung die Stadt in Trümmern liegend, einzig die Kaiser-Statue ragt noch heraus. "Nur auf dem Schlachtfeld wird die Größe einer Nation mit Blut und Eisen geschmiedet. So rief damals Diederich Heßling und riefen nach ihm noch viele andere - bis auf den heutigen Tag", schließt Staudte seinen Film.

Nach der Ostberliner Premiere am 31. August 1951 wird "Der Untertan" Pflichtprogramm an DDR-Schulen. In der Bundesrepublik wird der Film dagegen erst einmal verboten. Hier zeigt man lieber Heimatschnulzen wie "Schwarzwaldmädel", "Ich denke oft an Piroschka" oder "Tausend rote Rosen". Kritik am Militarismus - wie Staudte sie übt - ist mitten in der Diskussion um die Wiederbewaffnung nicht erwünscht, eine Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit noch viel weniger. Als "Der Untertan" 1957 endlich auch in bundesdeutschen Kinos gezeigt werden darf, fehlen entscheidende Szenen. Darunter auch die berühmte Schlussszene, herausgeschnitten von der westdeutschen Zensur.

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