Pocahontas

21. März 1617 - Pocahontas stirbt in England

Stand: 21.03.2017, 00:00 Uhr

Alles beginnt im Jahr 1607. Die ersten hundert englischen Siedler landen an der Ostküste Nordamerikas auf dem Gebiet des Stammes des Häuptlings Powhatan. Sie gründen die Siedlung Jamestown.

Eines Tages, so die Legende, wird einer der Siedler von den Ureinwohnern gefangen genommen, John Smith.

Die Indianer sollen zwei große Steine auf einen Platz gebracht, seinen Kopf darauf gelegt haben, um ihm mit Knüppeln den Schädel zu zertrümmern.

Pocahontas, Powhatans liebstes seiner angeblich hundert Kinder, soll sich auf ihn geworfen und seinen Kopf in ihre Arme genommen haben - um ihn zu retten. Matoaka heißt das zwölfjährige Mädchen, Pocahontas ist ihr Spitzname, die "Verspielte".

Die Legende einer Romanze

"Aber diese Geschichte ist ebenso erfunden wie sehr wahrscheinlich auch der Moment der Rettung, den Smith entweder missverstanden oder absichtlich falsch dargestellt hat", sagt der Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit, der sich in dem vierbändigen Werk "Der Pocahontas Komplex" mit dem Mythos der Indianerprinzessin beschäftigt.

Zu dieser Legende, die sich bis heute hartnäckig hält, hat am meisten John Smith selbst beigetragen. Er beschreibt seine Erlebnisse in Virginia später in Büchern.

Chief Robert Green, derzeitiger Häuptling des Stammes der Patawomack, der früher zum Stamm des Powhatan gehörte, glaubt immerhin, dass Pocahontas John Smith gekannt hat. "Aber eine Romanze, nein, das glaube ich nicht. Es hätte sein können. Heute stören sich die Menschen daran, dass sie erst zwölf Jahre alt war, aber damals wurden die Mädchen in dem Alter verheiratet. Also: Wäre es theoretisch möglich? Ja, wahrscheinlich. Glauben wir, dass es so war? Eher nicht."

Pocahontas gerät in die Hände der Engländer

Das Volk der Patawomack hat seine eigene Geschichtsschreibung, die Mattaponi Sacred Oral History.

In diesen Schriften heißt es, dass Pocahontas von den Engländern entführt wurde. "Wie fast alle Indianerinnen, die in die Hände der Engländer gerieten, wurde sie vergewaltigt und schwanger", erklärt Klaus Theweleit. Die Engländer vertuschen das Verbrechen, indem sie für Pocahontas eine Ehe mit einem der Pflanzer arrangieren, John Rolfe.

Die englischen Siedler überliefern jedoch eine andere Version: Master John Rolfe habe sich in Pocahontas verliebt und sie sich in ihn.

Fest steht: Pocahontas wird getauft, in Rebecca umbenannt und an den englischen Hof eingeladen. Dort findet sie bald heraus, was die Engländer wirklich wollen: nicht Seite an Seite mit Ureinwohnern leben, sondern sie vertreiben. Die Engländer beschließen, sie mit diesem Wissen nicht zurück in die Neue Welt zu lassen.

Kurz vor Abfahrt des Schiffes lädt der Kapitän sie zum Essen an Bord ein und vergiftet sie, heißt es in der Mattaponi Sacred Oral History.

Wird endlich ihre wahre Geschichte erzählt?

"Nach jahrelanger Überlegung bin ich dazu gekommen, diese Version der Geschichte zu akzeptieren. Sie kommt mir als die wahrscheinlichste vor", sagt Klaus Theweleit.

Pocahontas stirbt am 21. März 1617 im Alter von 22 Jahren. Offiziell werden Lungenentzündung, Tuberkulose, Typhus oder Pocken als Todesursache genannt.

John Rolfe kehrt allein nach Virginia zurück. Ihr Sohn Thomas wächst in London auf. 20 Jahre später kommt er als Offizier nach Virginia und heiratet eine weiße Frau.

Forscher wie Klaus Theweleit hoffen nun, dass zum 400. Todestag der Pocahontas endlich ihre wahre Geschichte erzählt wird. "Es interessiert mich sehr, ob diese Gesellschaft in der Lage ist, mit der Mattaponi-Erzählung umzugehen, die seit einigen Jahren zur offiziellen Pocahontas-Literatur gehört."

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. März 2017 ebenfalls an Pocahontas. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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