Historische Aufnahme: Lilienthal gleitet mit seinem an überdimensionale Fledermausflügel erinnernden 'Normalapparat' einen Hang hinunter.

10. August 1896 - Todestag des Flugpioniers Otto Lilienthal

Stand: 10.08.2016, 00:00 Uhr

Otto Lilienthal kann fliegen. Bis zu 250 Meter gleitet er durch die Luft mit seinen selbstgebauten, fast sieben Meter langen Schwingen. "Es ist ein unbeschreibliches Vergnügen, hoch über den sonnigen Berghängen sich zu wiegen", wird er einmal notieren. "Nur von einer leisen Harfenmusik begleitet, welche der Luftzug den Spanndrähten des Apparates entlockt." Getragen von diesem Enthusiasmus, wird Liliental zum ersten Menschen, der den Traum vom Fliegen zum Lebensziel erhebt.

Das Geheimnis ist der Querschnitt

Geboren wird Lilienthal 1848 in Anklam in Vorpommern. Schon als Kind beobachtet er fasziniert, wie elegant die Störche durch die Lüfte gleiten. Später zieht er sogar selbst Vögel groß, um hinter das Geheimnis ihres Flugs zu kommen. Besonders schwer, findet er, kann es eigentlich nicht sein. "Die Natur beweist es uns täglich von neuem, dass das Fliegen gar nicht so schwierig ist", notiert er 1889 in seinem Buch "Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst".

Lilienthal erkennt, dass es vor allem darum geht, mit Hilfe von Flügeln Auftrieb zu erhalten. In der richtigen Wölbung, also dem richtigen Flügelquerschnitt, sieht er deshalb die Lösung der meisten Probleme. Gemeinsam mit seinem Bruder Gustav experimentiert er ab 1867 mit Apparaten, die diesen Auftrieb erzeugen sollen. 1891 gleitet er in einer Sandgrube bei Berlin erstmals 25 Meter weit in die Tiefe, danach verbessert er seine Maschine immer wieder. Zwei Jahre nach seinem Jungfernflug kann er einen so genannten Normalsegelapparat präsentieren, der sich mittels Gewichtsverlagerung steuern lässt und den er in der "Maschinenfabrik Otto Lilienthal" produziert: Es ist das erste in Serie hergestellte Flugzeug der Welt. 500 Mark kostet es. Sogar der einflussreiche US-amerikanische Zeitungsverleger William Randolph Hearst bestellt ein Exemplar.

"Nur kurz ausruhen"

Schätzungsweise 2.000 Flüge absolviert Lilienthal nach dem Prinzip "Vom Schritt zum Sprung, vom Sprung zum Flug" ohne nennenswerte Verletzungen. 21 Apparate konstruiert er nachweislich, oft schwebt er von eigens aufgeschütteten Hügeln aus bis zu 200 Meter durch die Luft. Seine Auftritte sind Medienereignisse, die nicht nur das Volk vor Ort anlocken, sondern auch Fotografen, die die Flüge mit ihren Bildern um die Welt tragen. Immer mehr perfektioniert er die Technik, immer weiter hinaus möchte er. Dabei entwickelt er Gleiter mit hervorragender Aerodynamik, die aber ein Problem in sich tragen: Stehen die Flügel zu schräg gegen den Wind, wird der ganze Apparat instabil. Genau dies wird dem Flugpionier zum Verhängnis.

Am 9. August 1896 will Lilienthal wieder in die Lüfte. Die Warnungen seines Gehilfen Paul Beylich wegen starker Böen schlägt er in den Wind. Vor den Augen des entsetzten Publikums steigt er in die Höhe, um nach kurzem Flug durch eine Böe, die er nicht mehr aussteuern kann, in der Luft stehen zu bleiben und ungebremst 15 Meter kopfüber in die Tiefe zu stürzen. Dann bleibt er im Geäst seines zerbrochenen Fliegers liegen. "Ich will mal bloß ein bisschen ausruhen", soll er nach Auskunft Beylichs gesagt haben, "dann machen wir gleich wieder weiter."

Daraus indes wird nichts mehr. Otto Lilienthal stirbt einen Tag nach seinem Unfall, am 10. August 1896, in der Klinik der Berliner Universität. Er wird nur 48 Jahre alt.

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