Dortmunds Lars Ricken beim Treffer zum 3:1 im Champions-League-Finale gegen Juventus Turin

28. Mai 1997 - Borussia Dortmund gewinnt die Champions League

Stand: 28.05.2017, 00:00 Uhr

Zum ersten Mal steht Borussia Dortmund im Endspiel der Champions League. Die Stimmung im Verein müsste prächtig sein, doch das Gegenteil ist der Fall. Der Meistertitel in der Liga wurde verspielt, zwischen Präsident Gerd Niebaum und Trainer Ottmar Hitzfeld knirscht es gewaltig und im "Millionario"-Kader herrscht die reine Cliquenwirtschaft.

"Der Boulevard wartete gespannt darauf, wann der Deckel vom brodelnden BVB-Topf fliegen würde und erkor den Finaltag zum 'doomsday'", fasst der Fußball-Autor Dietrich Schulze-Marmeling die Lage in seinem BVB-Buch "Der Ruhm, der Traum und das Geld" zusammen.

Krasser Außenseiter gegen Juventus Turin

Aber es gibt auch Motivationshilfen für die Schwarz-Gelben: Ausgerechnet Erzrivale Schalke 04 hat gerade den Uefa-Pokal geholt, das Champions-League-Finale wird im Münchener Olympiastadion ausgetragen, und die Bayern müssen zuschauen. Denn der Gegner der Borussen am 28. Mai 1997 ist Juventus Turin, der Titelverteidiger und derzeit das beste Team Europas. In den Halbfinal-Spielen hat die Star-Truppe um Zinédine Zidane, Alessandro Del Piero und Alen Bokšić Ajax Amsterdam mit insgesamt 6:2 Toren abgefertigt und außerdem die italienische Meisterschaft perfekt gemacht.

Gegen diese fitte "alte Dame Juve", da sind sich die Experten einig, ist Borussia Dortmund nur krasser Außenseiter. Doch auch der BVB, der im Halbfinale immerhin Manchester United aus dem Rennen geworfen hat, kann mit Matthias Sammer, Jürgen Kohler, Andreas Möller und Karl-Heinz Riedle Spieler von Weltklasseformat aufbieten. Und einen Jungspund, der noch nicht ahnt, dass dieses Champions-League-Finale das Spiel seines Lebens wird: Lars Ricken.

Riedle reißt Juve aus den Titel-Träumen

Die Partie vor 59.000 Zuschauern im Olympiastadion beginnt wie erwartet. Juventus diktiert das Spiel und hat die besseren Torchancen, der BVB hält mit Kontern und langen Bällen nach vorn dagegen. Wie aus heiterem Himmel reißt Riedle den Favoriten aus seinen Titel-Träumen und erzielt mit einem Doppelschlag (29./34. Minute) Dortmunds glückliche 2:0-Führung. Spürbar geschockt nimmt Juventus Turin den Rückstand mit in die Kabine.

Lars Ricken erlebt die ersten 70 Minuten von der Ersatzbank aus mit. Doch der 20-Jährige weiß: Er wird seine Chance bekommen, schließlich war er bereits im Viertel- und Halbfinale der Mann für die wichtigen Tore. Von der Bank aus macht Ricken eine entscheidende Beobachtung: Juve-Keeper Angelo Peruzzi steht meist viel zu weit vor seinem Tor. "Ich habe dann zu Heiko Herrlich gesagt: Mit dem ersten Ballkontakt schieße ich blind aufs Tor."

Ricken und das unglaubliche Blitztor

Nach der Halbzeitpause gelingt Del Piero (64.) der Anschlusstreffer; das große Zittern beginnt. In der 70. Minute dann lässt Hitzfeld seinen Joker Ricken von der Leine. Keine zehn Sekunden später passt Möller ihm den Ball direkt in den Lauf, Peruzzi steht wieder sieben Meter vor seinem Kasten. TV-Kommentator Marcel Reif ruft "Lupfen jetzt", Ricken lupft  - und der Ball segelt in hohem Bogen über Peruzzi hinweg zum spielentscheidenden 3:1 ins Netz. Was dann folgt, ist schwarz-gelbe Ekstase, in München und in Dortmund, wo 50.000 Fans den Champions-League-Sieg ihrer Borussia auf einer Großbildleinwand miterleben.

Nach dem Triumph verkündet Hitzfeld, vom Dauerzoff mit Spielern und Vorstand entnervt, seinen Rücktritt. Nevio Scala übernimmt das Traineramt und führt die Mannschaft am Jahresende noch zum Weltpokal-Gewinn gegen Cruzeiro Belo Horizonte aus Brasilien. Danach geht es für den BVB erst einmal lange abwärts – sportlich wie finanziell. Auch Rickens Karriere kommt nach seinem Traumtor nicht mehr in Schwung. Oft verletzt und zeitweise aussortiert, wird er 2007 in die 2. Mannschaft versetzt, wo er ein Jahr später seine Laufbahn beendet. Seit 2008 koordiniert Lars Ricken die Nachwuchsarbeit des BVB.

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