Küchenexperimente - Spitzerbengalo

Stand: 26.07.2013, 16:05 Uhr

Was ist das gefährlichste Teil im Schulmäppchen? Der Spitzer. Nicht wegen der Klinge. Sondern weil er binnen Sekunden zum bengalischen Feuer werden kann.

Von Sascha Ott

Endlich Sommerferien, der Schulranzen fliegt in die Ecke, sechs Wochen Freibad, Strand und Eiscafé liegen vor den Schülerinnen und Schülern im Land – und auf die Eltern unter Umständen sechs Wochen Betreuungsnotstand. Auch die Küchenexperimente hält es in diesen sonnigen Tagen nicht länger an Herd und Spüle. In den Ferienwochen wird im Garten experimentiert. Und das bietet Gelegenheit, all das auszuprobieren, was für die Küche zu gefährlich ist oder eine zu große Sauerei hinterlässt. Heute zum Beispiel nähern wir uns todesmutig dem gefährlichsten Inhalt eines Schulmäppchens.

Schon an dieser Stelle möchte ich eine dringende Warnung aussprechen: Falls Sie dieses Experiment nachmachen wollen, seien Sie äußerst vorsichtig. Keinesfalls sollten es Kinder ohne die Aufsicht eines Erwachsenen ausprobieren. Ohnehin sollte das Flambiergerät für Kinder in der Küche nicht frei zugänglich sein.

DER VERSUCH

Was ist gefährlich im Schulmäppchen? Der Füller? Wohl kaum. Der Zirkel? Schon eher. Wirklich zerstörerische Wucht steckt aber in einem anderen Teil. Für dieses Gartenexperiment brauche ich:

  • einen Spitzer (dieser muss aus geeignetem Material sein, mehr dazu weiter unten);
  • ein Flambiergerät (also einen kleinen Propangasbrenner);
  • eine wirklich feuerfeste Unterlage.

Ich nehme einen normalen Anspitzer aus Metall, löse zuerst die kleine Schraube und nehme die Klinge ab. Die scharfe Klinge ist nämlich erstaunlicherweise noch das Harmloseste am Spitzer. Jetzt lege ich den Spitzer auf einen großen flachen Stein mitten im Garten, einige Schritte entfernt von allem, was Feuer fangen könnte. Dann nehme ich mein kleines Flambiergerät aus der Küche und heize dem Spitzer tüchtig ein.

DAS ERGEBNIS

Nach wenigen Sekunden beginnt der Spitzer an einer Ecke zu glühen, er verfärbt sich von matt silbrig zu weiß, die Oberfläche wird rau und brüchig. Und plötzlich entzündet sich der Spitzer. In gleißend weißem Licht brennt der Spitzer, grell leuchtet die Flamme, wie ein Dauerblitzlicht. Einzelne Funken fliegen aus dem Spitzer heraus in die Wiese. Ein bengalisches Feuer im Kleinformat.

DIE ERKLÄRUNG

Bei vielen Spitzern ist der Korpus überraschenderweise aus Magnesium. Ob ein Spitzer aus Magnesium oder Aluminium gefertigt ist (Stahl ist aufgrund seines Gewichts recht leicht zu erkennen), kann man am einfachsten prüfen, indem man den Spitzer mit einem Schuss Essigessenz übergießt. Ein Magnesiumspitzer sollte sofort mit deutlicher Blasenbildung auf die Säure des Essigs reagieren.

Magnesium ist leicht zu verarbeiten und hat beim Spitzer einen großen Vorteil: Es schützt die Klinge vor dem Verrosten. Wenn die Stahlklinge und der Magnesiumkorpus Feuchtigkeit ausgesetzt sind, dann oxidiert, also rostet, nur das unedlere Metall und das ist das Magnesium. Chemisch betrachtet hat das Magnesium eine größere Neigung sich über seine beiden äußeren Hüllenelektronen mit Sauerstoffatomen zu verbinden, also ein Oxid zu bilden, als das Eisen des Stahls. Das Magnesium opfert sich sozusagen für den Stahl auf.

Auch beim Verbrennen verbindet sich Magnesium mit Sauerstoff zu Magnesiumoxid. Hier läuft die Reaktion allerdings sehr viel schneller und stark exotherm, das heißt unter starker Wärmeentwicklung ab. Magnesium brennt mit einer sehr grellen, extrem heißen Flamme. Mehr als 2000 Grad können bei Magnesiumbränden auftreten. Das grelle Licht der Magnesiumflamme wird vielfältig eingesetzt: früher als Blitzlichtpulver in der Fotografie, heute eher in der Pyrotechnik für bengalisches Feuer.

Folgende Vorsichtsmaßnahmen bitte ich bei diesem Experiment dringend zu beachten:

  • der Spitzer muss auf einer absolut feuerfesten Unterlage liegen, zum Beispiel einem großen Stein;
  • durch die inneren Spannungen im Metall können nach dem Entzünden Magnesiumfunken aus dem Korpus herausgeschleudert werden, daher sollte auch die Umgebung nicht leichtentflammbar sein;
  • wegen dieser Funkengefahr, sollte man unbedingt eine Schutzbrille tragen;
  • nicht direkt in die grelle Flamme blicken;
  • noch einmal: Kinder sollten das Experiment auf keinen Fall allein ausprobieren.

Vielen Dank!

FAZIT

Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht, wenn Sie dieses Experiment nachmachen wollen. Mit 2000 Grad ist nicht zu Spaßen. Vorschriftsmäßig verwendet ist ein Spitzer aber natürlich völlig harmlos. Es sei denn, man piekst sich versehentlich mit dem frisch angespitzten Bleistift in den Finger.

Redaktion:
Peter Ehmer