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Küchenexperimente - Der schwebende Ball

Stand: 29.05.2015, 16:05 Uhr

Stößt man in der Natur auf rätselhafte Phänomene, dann taucht in der Erklärung immer wieder ein besonderes Prinzip auf: Der Bernoulli-Effekt. Zum Beispiel, wenn ein Ball wie von Geisterhand gehalten in einem Luftstrom schwebt.

Von Sascha Ott

28 Küchenexperimente habe ich schon präsentiert, ohne den Mann zu erwähnen, der in der Physik eigentlich der König des verblüffenden Experiments ist. Der Mann, der einen Effekt entdeckt hat, der auch im Alltag für alle möglichen rätselhaften Phänomene verantwortlich ist. Der Mann heißt: Daniel Bernoulli.

DER VERSUCH

Ich gebe zu: Ich habe unseren Fön aus dem Bad in die Küche geholt und ihn auf Kaltluft eingestellt. Jetzt nehme ich einen Tischtennisball und halte ihn in den Luftstrom des Föns. Jetzt wird´s etwas fummelig. Denn meine Hand muss den Ball umschließen wie ein loser Käfig. Die Fönluft muss durch die halboffene Hand strömen können. Und jetzt suche ich die Stelle im Luftstrom, etwa 20 Zentimeter über dem Fön, an der der Tischtennisball in meiner Hand schwebt, ohne einen meiner Finger zu berühren. Dann öffne ich die Hand langsam und ziehe sie weg.

DAS ERGEBNIS

Der Tischtennisball schwebt im Luftstrom. Er tänzelt ein bisschen auf und ab, er dreht sich leicht hin und her, aber er fliegt wie von Geisterhand gehalten gut zwei Handbreit über der Austrittsöffnung des Föns. Und wenn ich den Fön ein bisschen hin und her bewege, dann folgt er brav dem Luftstrom.

DIE ERKLÄRUNG

Der Schweizer Mathematiker und Physiker Daniel Bernoulli (1700-1782) fand im 18. Jahrhundert einen erstaunlichen Zusammenhang: Eine schnelle Strömung erzeugt einen niedrigen Druck. Je schneller die Strömung, desto geringer der Druck an einer umströmten Fläche. Dieses Bernoulli-Prinzip hält auch unseren Ball in der Schwebe. Der Ball wird ja vom Fön hoch gepustet und von der Erdanziehung hinuntergezogen. Aber warum bricht er nicht links oder rechts aus dem Luftstrom aus? Wegen Bernoulli. Denn sobald sich der Ball ein bisschen, sagen wir, links aus dem Luftstrom heraus bewegt, kann rechts die Luft leichter, also schneller vorbeiströmen. Diese schnellere Strömung sorgt aber nach Bernoulli für einen stärkeren Unterdruck, also einen Sog. Und der zieht den Ball wieder in die Mitte.

Ähnlich ist es auch zum Beispiel beim Flugzeug: Weil die Tragflächen gewölbt sind, strömt die Luft über dem Flügel viel schneller als drunter. Anschaulich kann man sich vorstellen, dass die Luft auf der gewölbten Oberseite einen weiteren Weg zurücklegen muss. Das sorgt für einen Sog nach oben. Das Flugzeug hebt ab. Um Protesten von Aerodynamikern vorzubeugen sei erwähnt, dass der Bernoulli-Effekt nur einer von mehreren Effekten ist, die gemeinsam das Flugzeug von der Startbahn heben und dass nicht nur gewölbte, sondern auch schräg angestellte Tragflächen, zum Beispiel bei kleinen Sportflugzeugen, den Effekt hervorbringen.

In der Natur stößt man auf weitere Effekte, die auf den ersten Blick kaum erklärlich sind, sich aber auf das Bernoulli-Prinzip zurückführen lassen: Zum Beispiel wird eine halboffene Tür bei Durchzug nicht etwa aufgedrückt, sondern krachend ins Schloss gezogen. Und ein Motorradfahrer wird beim Überholen von einem Lkw angesogen, weil der schnelle Luftzug zwischen den beiden für einen niedrigen Druck sorgt. Oder bei heftigem Regen mit Windböen: Man hält den Schirm tief nach vorn hinunter und trotzdem klappt der Schirm um. Auch hier gilt nach Bernoulli: Der Wind fegt über den Schirm, die schnelle Strömung erzeugt einen Unterdruck und der Schirm wird hoch gesaugt.

Weitere Experimente zum Bernoulli-Effekt habe ich vor einiger Zeit in der Serie "LEO-Labor" vorgeführt:

FAZIT

Bernoulli ist der Mann für die unerklärlichen Effekte. Wenn Ihnen also künftig etwas rätselhaft vorkommt, egal ob in der Natur oder in Ihrem Steuerbescheid – denken Sie einfach: Dahinter steckt bestimmt Bernoulli.

Redaktion:
Peter Ehmer