Versagen in der Corona-Politik? Zehn Beispiele auf einen Blick

Stand: 07.03.2021, 20:29 Uhr

Bei der Corona-Politik ist von großen Fehlern die Rede - bei den jetzigen Lockerungen des Lockdowns sogar von Versagen. Zehn Beispiele auf einen Blick - und was Experten sagen.

In der Corona-Politik läuft manches schief. Fehler geben sogar die Verantwortlichen zu. Auch die jetzigen Lockerungen des Lockdowns halten viele für falsch. Hat die Politik in der Pandemie versagt?

In der Corona-Politik ist von großen Fehlern die Rede

Nach einem Jahr der Pandemie ist von großen politischen Fehlern die Rede. Zum Beispiel hierbei:

  • Maskenpflicht: kam zu spät, anfangs zu wenig Masken beschafft
  • Alte Menschen: erst kaum geschützt, dann viele abgeschottet
  • Reiserückkehrer: im Sommer kaum Einschränkungen
  • Politische Struktur: Parlamente durften zu wenig mitreden
  • Schulpolitik: kurzfristige Entscheidungen, als "planlos" kritisiert
  • Wirtschaftshilfen: Auszahlungen für viele erst spät
  • Teil-Lockdown: verhinderte einen früheren zweiten Lockdown
  • Impfen: läuft woanders deutlich schneller
  • Kostenlose Schnelltests: zu spät
  • Digitalisierung: Versäumnisse bei Breitband, Schule und Ämtern, Möglichkeiten von Apps nicht ausgeschöpft

Markus Beckedahl: "Versäumnisse" beim Digitalen

Markus Beckedahl im Portrait

Markus Beckedahl von Netzpolitik.org

Die Digitalisierung habe die Politik zwar schon vor Corona nicht genug vorangetrieben, sagt Markus Beckedahl, Chefredakteur von Netzpolitik.org, dem WDR. In der Pandemie kämen die "großen Versäumnisse" nun aber deutlich zum Vorschein - zum Beispiel im Homeoffice, im Homeschooling und bei der Kontaktverfolgung durch die Gesundheitsämter.

Gerd Landsberg und Michael Hallek: Schnelltests zu spät

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, nennt als aktuelles Beispiel für politische Fehler die Schnelltest-Strategie. Die hätte man "viel früher aufsetzen müssen", sagt er dem WDR.

So sieht es auch Medizinprofessor Michael Hallek von der Uniklinik Köln, der auch Mitglied der Wissenschaftsakademie Leopoldina ist, die die Bundesregierung berät. "Man hätte damit früher starten können", sagt er dem WDR. Die Tests lägen schon seit einigen Wochen bereit.

Blogger Lobo: "Extrem viel Vertrauen geht verloren"

Ein komplettes "Staatsversagen" attestiert der Autor und Blogger Sascha Lobo gar der Bundesregierung. Besonders habe ihn zuletzt der Satz von Bundeskanzlerin Merkel geärgert, wonach es "sicher noch den Monat März" brauche, um eine stabile Teststrategie hinzubekommen. Eine Teststrategie, die Länder wie Singapur oder Südkorea bereits vor einem Jahr aufgestellt hätten.

Das habe nichts mit "deutscher Gründlichkeit" zu tun, stellte Lobo im Interview mit der "Aktuellen Stunde" klar, sondern vielmehr mit enormen Fehleinschätzungen und Sparsamkeit an der falschen Stelle: Nicht nur beim Kauf der Impfstoffe, auch bei der Ausstattung der Gesundheitsämter mit moderner Software.

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"Immer mehr Menschen sind stocksauer, richtig wütend", meint Lobo. Er fürchte bei vielen "Langzeitschäden im demokratischen Zentrum des eigenen politischen Gehirns". Das sei gefährlich, "weil ich glaube, das hier extrem viel Vertrauen verloren geht". Er hoffe sehr, dass sich das auf Wahlen niederschlägt, so Lobo.

Politologin Schwanholz: Irrtümer zulassen

Haben Bund und Länder in der Pandemie also mehrfach versagt? "Natürlich kann man eine Vielzahl von Beispielen, die schlecht oder falsch gelaufen sind, aneinanderreihen", sagt Politikwissenschaftlerin Julia Schwanholz von der Universität Duisburg-Essen dem WDR.

Aber: Politik sei "ein System der Suche", so Schwanholz. "Dazu gehört, dass man auch Irrtümer zulässt." Mangels Expertenwissens habe man ohnehin oft nicht viel klüger entscheiden können. "Letztlich ist es wichtig, dass es Lernprozesse gibt."

Problematisch sei es, wenn man aus Fehlern nicht lerne - oder mit Blick auf Wahlen und anderen Gründen nicht lernen wolle, so Schwanholz. Das erschüttere letztlich das Vertrauen in Politik.

Bei Lockdown-Lockerungen aus Fehlern nicht gelernt?

Als mögliches Beispiel dafür nennt sie die jetzigen Lockerungen des Lockdowns. "Die kommen zu einem Zeitpunkt, in dem man eine Inzidenz hat, bei der man zu einem anderen Zeitpunkt einen Lockdown erlassen hat."

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Auch Mediziner Hallek kritisiert die Lockerungen - und bezeichnet sie nicht bloß als politischen Fehler. Das verfrühte Ende des Lockdowns in Kombination mit den vielen Kranken und Toten sowie den Schäden für die Wirtschaft sei "das größte Versagen in diesem Pandemie-Management der Bundesrepublik".

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