Polizisten stehen vor dem Kölner Hauptbahnhof

Nach den Kölner Silvester-Übergriffen

Welche Strafen möglich sind

Stand: 12.01.2016, 15:03 Uhr

  • Ermittlung der Kölner der Täter wird sehr schwierig
  • Verschiedene Straftaten kommen in Betracht
  • Sexuelle Belästigung kein Straftatbestand

Von Christian Wolf

Zwar ist die Kölner Ermittlungsgruppe auf 100 Beamte angewachsen und versucht unter Hochdruck, zu Ermittlungsergebnissen zu kommen. Dennoch wird es schwierig, die Täter zu überführen. Denn selbst wenn Tatverdächtige identifiziert werden, muss die Justiz jedem Einzelnen etwas Konkretes nachweisen. Dafür bedarf es Zeugen, Beweisvideos oder sichergestelltes Diebesgut. "Generell ist es so: Wenn eine Straftat aus einer Gruppe heraus begangen wird, muss man für jeden, den man belangen will, einen Tatbeitrag haben", sagt Stefan Caspari, Strafrechtsexperte des Deutschen Richterbundes. Das heißt: Der Verdächtige beging selbst eine Tat oder leistete Beihilfe - etwa, indem er in einem Kreis stand, der einen Übergriff abschirmte. Erschwerend kommen das Getümmel und die Menge an Beteiligten hinzu. Außerdem können laut Polizei viele Opfer die Täter nicht genau identifizieren.

Nicht nur Diebstahl und Sexualstraftaten

Der Polizei liegen inzwischen weit mehr als 500 Strafanzeigen vor. Bei fast der Hälfte geht es um Sexualstraftaten, in vielen zugleich um Diebstahldelikte. Außerdem handelt es sich um Eigentums- und Körperverletzungsdelikte. Es gibt eine Fülle von denkbaren Vorwürfen: Diebstahl, Nötigung, Raubdelikte, unterlassene Hilfeleistung, Bandenkriminalität oder Freiheitsberaubung.

Bei einem Prozess drohen je nach Schwere der Tat langjährige Haftstrafen. Bei sexueller Nötigung ist es mindestens ein Jahr, bei Vergewaltigung sind es mindestens zwei Jahre. Mindestens drei Jahre Gefängnis werden verhängt, wenn der Täter bewaffnet war. Grundsätzlich macht es bei der Strafzumessung keinen großen Unterschied, ob es den Tätern primär um sexuelle Gewalt oder um Diebstähle ging. "Wenn man sagt, der Diebstahl stand im Vordergrund und das Sexualdelikt geschah 'nebenbei', ist das nicht minder strafwürdig, als wenn das Sexualdelikt im Vordergrund steht", sagt Strafrechtsexperte Caspari. Generell sei eine große Spannweite an Strafen denkbar. Bei einem Sexualdelikt in Form einer Beleidigung stünden Geldstrafen im Raum. Bei Vergewaltigungen seien Freiheitsstrafen von bis zu 15 Jahren möglich. Ähnlich groß sei die Bandbreite bei Diebstählen - bei Bandendiebstahl seien mehrjährige Strafen drin.

Sexuelle Belästigung kein "Straftatbestand"

Einen Straftatbestand "sexuelle Belästigung" gibt es nicht. Wer sich einem Menschen in ungebührlicher Weise nähert, kann sich jedoch der sexuellen Nötigung oder der Beleidigung schuldig machen. Eine Beleidigung liegt dann vor, wenn der Angriff ehrverletzend wirken soll. Das Oberlandesgericht Bamberg bestätigte 2006 die Verurteilung eines Mannes zu fünf Monaten Haft, der einer Frau in der Öffentlichkeit zwischen die Beine gegriffen hatte. Für eine Nötigung muss der Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung laut Strafgesetzbuch "von einiger Erheblichkeit" sein. Nur wenn der Täter sein Opfer mit Gewalt zu etwas zwingt, dem Opfer droht oder dessen Wehrlosigkeit ausnutzt, ist eine Verurteilung wegen sexueller Nötigung möglich. Einige Gerichte urteilten sogar, dass ein einfacher Griff an den bekleideten Po oder an die Brust, selbst ein aufgezwungener, kurzer Zungenkuss nicht strafbar sei. Im Einzelfall entscheidet jedes Gericht nach eigenem Ermessen.

Sexualstrafrecht in der Diskussion

Bereits vor den Übergriffen ist über eine Verschärfung des Sexualstrafrechts diskutiert worden. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung befindet sich seit Kurzem in der Abstimmung mit den Bundesländern und könnte noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Künftig sollen auch Fälle als Vergewaltigung gelten, in denen der Täter Sex zwar nicht mit Gewalt erzwingt, aber durch andere Drohungen oder in denen das Opfer Gewalt befürchten muss. Der Straftatbestand erfüllt wäre auch, wenn sich das Opfer subjektiv als schutzlos empfindet oder der Täter einen "Überraschungsmoment" ausnutzt, etwa durch eine unvermittelte Attacke im öffentlichen Raum. Bislang wird im Strafrecht eine Sex-Attacke nur dann als Vergewaltigung gewertet, wenn das Opfer geschlagen oder an Leib und Leben bedroht wurde - oder sich in einer "schutzlosen" Lage befand. Die CDU hat bereits erklärt, dass sie auch sexuelle Belästigung unter Strafe stellen will.

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