Polizisten stehen in Köln vor dem Hauptbahnhof

Auch Krafts Mitarbeiter schätzten Silvesternacht tagelang falsch ein

Stand: 17.06.2016, 15:13 Uhr

  • Enge Mitarbeiter Hannelore Krafts haben vor dem Untersuchungsausschuss Silvesternacht ausgesagt
  • Brisanz der WE-Meldung nicht erkannt
  • Kein Kontakt zur Ministerpräsidentin vor dem 4. Januar

Von Rainer Kellers

Hannelore Kraft (SPD) hat es sogar in einer eidesstattlicher Erklärung festgehalten: Vor dem 4. Januar habe sie weder mit dem Innenminister noch mit Mitarbeitern über die Kölner Silvesternacht gesprochen. Am Donnerstag (16.06.2016) bestätigten enge Mitarbeiter aus der Staatskanzlei diese Version. Auch sie hätten an dem langen Silvesterwochenende nicht mit der Regierungschefin gesprochen.

Krafts Büroleiter hatte Meldung auf dem Diensthandy

Informiert waren Krafts Mitarbeiter allerdings schon. Sowohl Staatssekretärin Anja Surmann, die Amtschefin der Staatskanzlei, als auch Krafts Büroleiter Ulrich Schulik sagten vor dem Ausschuss, bereits am Nachmittag des 1. Januar von den Vorfällen gelesen zu haben. Beide haben die fragliche WE-Meldung (WE= Wichtiges Ereignis) aus der Kölner Kriminalwache auf ihr Diensthandy bekommen. Und beide gaben an, die Mail im Laufe des Neujahrstages gesehen zu haben. In der Meldung ist die Rede von elf sexuellen Übergriffen durch Männergruppen, einer Vergewaltigung und Dutzenden von Tatverdächtigen, die als Nordafrikaner beschrieben wurden.

"Solche Ereignisse kommen in einer Millionenstadt vor"

Trotzdem sagen Surmann und Schulik beinahe wortgleich: Die Dimension der Ereignisse sei zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar gewesen. Einen Grund, die Ministerpräsidentin zu informieren, hätten sie nicht gesehen. Schulik, ein erfahrener Mann, der schon im Büro der Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und Peer Steinbrück (beide SPD) tätig war, sagt: Ereignisse wie die beschriebenen kämen an Silvester in einer Millionenstadt wie Köln vor. Eine "größere politische Dimension" habe er nicht erkannt. Diese Einschätzung habe sich erst geändert, als er am Montag, dem 4. Januar, im Pressespiegel einen Bericht des "Kölner Stadtanzeigers" gelesen hatte. Onlineberichte, die schon ab dem 2. Januar die Ereignisse beschrieben, will Schulik nicht wahrgenommen haben.

Es bleibt also dabei: Mehrere Personen aus der Staatskanzlei haben die WE-Meldung gelesen. Ihre Bedeutung will niemand vor dem 4. Januar erkannt haben. Die Ministerpräsidentin sei deshalb auch nicht frühzeitig informiert worden. Erst am Nachmittag des 4. Januar hätten Kraft und Innenminister Ralf Jäger (SPD) über die Lage telefoniert. Die Opposition bezweifelt weiter, dass diese Darstellung stimmt. Beweisen können sie es aber auch nach zahlreichen Zeugenbefragungen nicht.

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