Polizei am Kölner Hauptbahnhof

Silvesternacht: Zeuge beschreibt Beeinflussungsversuch

Stand: 02.05.2016, 17:50 Uhr

Sollte das Wort "Vergewaltigung" aus einer Polizeimeldung vom 1. Januar gestrichen werden? Im Untersuchungsausschuss Silvesternacht hat am Montag (02.05.2016) ein Dienstgruppenleiter der Kölner Kriminalwache diesen Verdacht erhärtet.

Von Rainer Kellers

Wer ist der ominöse Anrufer vom Neujahrstag? Immer noch bleibt rätselhaft, wer am Mittag des 1. Januar in der Kölner Kriminalwache angerufen und versucht hat, das Wort "Vergewaltigung" aus einer Meldung über die Vorgänge an Silvester streichen zu lassen. Sollten die Vorgänge verschleiert oder vertuscht werden? Auch die Vernehmung mehrerer Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss Silvesternacht am Montag (02.05.2016) brachte keine Aufklärung in dieser Frage.

Wer wollte das Wort "Vergewaltigung" streichen?

Hintergrund ist eine so genannte WE-Meldung (WE steht für Wichtiges Ereignis), die die Kölner Polizei am Neujahrstag verschickt hat. In dieser Meldung ist zum ersten Mal die Rede von massiven Übergriffen auf Frauen durch nordafrikanische Männergruppen. Es werden elf Fälle genannt, darunter eine Vergewaltigung mit einem Finger. Um diesen letzten Fall geht es. Offenbar hat jemand versucht, die Kölner Polizisten dazu zu bringen, den Vorfall nicht als Vergewaltigung zu bezeichnen. Nur wer?

Jürgen H., der Dienstgruppenleiter der Kölner Kriminalwache, der den Anruf entgegen genommen hatte, bekräftigte vor dem Ausschuss, dass der Anrufer ein Mitarbeiter der Landesleitstelle gewesen sei. Also einer Behörde, die direkt dem Innenministerium untersteht, aber eigentlich bei Kriminalitätslagen nicht zuständig ist. Einen Namen hat sich der Zeuge nicht notiert, er sei aber sicher, dass es die Landesleitstelle war, die angerufen hat. Der Anrufer sei sehr forsch und unfreundlich gewesen und habe eine Stornierung verlangt. Angeblich "auf Wunsch des Innenministeriums", sagt der Zeuge.

Hat das Innenministerium versucht, Einfluss zu nehmen?

Wenn das stimmt, wäre es brisant für NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Der nämlich hatte bisher immer verneint, dass sein Ministerium versucht habe, auf die Darstellung der Silvesternacht Einfluss zu nehmen. Anfang April hatte das Ministerium ausdrücklich ausgeschlossen, dass ein Mitarbeiter der Landesleitstelle in Köln angerufen haben könnte. Es müsse ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) gewesen sein. Doch auch der Dienstleiter des LKA am Neujahrstag bestreitet vor dem Ausschuss, ein solches Telefonat mit der Kölner Wache geführt zu haben.

Zeuge: "Anrufer war fachlich völlig neben der Kappe"

Eine Theorie, wer der rätselhafte Anrufer gewesen sein könnte, hat Joachim H., der am Neujahrstag den Frühdienst auf der Kölner Wache leitete. Er habe das Telefonat mitbekommen und mit dem Kollegen in der Übergabe besprochen, sagt der Beamte vor dem Ausschuss. Es sei "völlig ungewöhnlich", dass jemand von der Leitstelle in der Wache anruft, das habe er noch nie erlebt. Seine Theorie: "Da hat sich ein Einzelner überhöht, weil er in einer Landesoberbehörde ist." Fachlich sei die Einschätzung "völlig neben der Kappe und dann auch noch mit Drohung mit dem gemeinsamen obersten Dienstherrn. Das ist einfach Unsinn."

Polizist glaubt nicht an Vertuschungsversuch

Geändert wurde die WE-Meldung letztlich nicht. Die Kölner Beamten hatten darauf bestanden, dass der Vorgang den Tatbestand einer Vergewaltigung erfülle. Dann sei der Anrufer plötzlich sehr kleinlaut gewesen, erzählt Jürgen H. An einen Vertuschungsversuch glaubt er nicht. Es sei nicht weiter Druck auf ihn ausgeübt worden und auch keine direkte Weisung an ihn ergangen.

Bleibt die Frage, ob der Ausschuss in der Lage ist, die Identität des Anrufers herauszufinden. Eigentlich dürfte es ja kein Problem sein zu klären, wer am Neujahrstag in der Landesleitstelle Dienst hatte. Die CDU will nun die Dienstpläne anfordern und dann womöglich weitere Zeugen benennen. Vielleicht wird dann endlich klar, wer angerufen hat - und warum.

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