Wahlkreuz
Armin Laschet, CDU (l), Hannelore Kraft, SPD (r)

"Eine historische Zäsur wird das nicht"

Stand: 15.05.2017, 10:52 Uhr

Die SPD stürzt ab und die CDU schafft den Regierungswechsel - das Ergebnis der NRW-Wahl hat viele Facetten. Über die Konsequenzen spricht der Politikwissenschaftler Andreas Blätte.

WDR.de: Armin Laschet wird wohl neuer Ministerpräsident in NRW. Was wird er anders machen als seine Vorgängerin Hannelore Kraft?

Politikwissenschaftler Andreas Blätte

Andreas Blätte ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen

Andreas Blätte: Große Brüche sind nicht zu erwarten. Vielleicht wird die neue Landesregierung mehr Offenheit gegenüber den Bürgern ausstrahlen. Aber Armin Laschet ist nicht das völlige Gegenmodell zu Hannelore Kraft. Er ist ein Mann der Mitte. Auch Kraft stand für diese Orientierung der SPD. Eine historische Zäsur an der Spitze des Landes wird das also nicht.

Und was ist inhaltlich zu erwarten?

Blätte: Rot-Grün ist wegen vieler handwerklicher Mängel in der Regierungsführung abgewählt worden. Wir haben aber keinen Lagerwahlkampf mit ideologischen Auseinandersetzungen erlebt. Insofern wird die größte Aufgabe für die neue Landesregierung sein, es einfach besser zu machen. Neben einem starken Personal muss ein realistisches Programm aufgestellt werden. Die neue Regierung muss zeigen, wie sie mehr Ausgaben in Polizei, Bildung und Verkehr mit den Vorgaben der Schuldenbremse vereinbart. Das wird eine große Herausforderung.

Eine schwarz-gelbe Koalition ist rechnerisch möglich. So richtig bekennen will sich aber noch niemand dazu. Warum zieren sich beide Parteien so?

Blätte: Eine Regierungsbeteiligung war nicht erkennbar Teil des strategischen Planes der FDP. Sollte sie in die Regierung gehen, muss sie erklären, wie sie ihre Versprechen miteinander in Einklang bringen will – niedrigere Steuern und gleichzeitig mehr Geld für Schulen und Infrastruktur. Das könnte eine Hypothek für den anstehenden Bundestagswahlkampf werden. Zwar ist auch eine Große Koalition möglich. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach wird es zu Schwarz-Gelb kommen.

Droht der FDP hier im Land der Absturz, wenn ihr Frontmann Christian Lindner im Herbst nach Berlin geht?

Blätte: Der Wechsel war langfristig angekündigt und die Wähler haben sich sehenden Auges für die FDP entschieden. Beschweren darf sich also niemand. Die großen taktischen Herausforderungen beginnen aber erst jetzt für die FDP. Sie muss ein überzeugendes Personalangebot machen und ihre Programmatik in Regierungshandeln umsetzen. Parallel wird die neue Opposition versuchen, schlechte Erinnerungen an alte schwarz-gelbe Koalitionen wach zu rütteln. Der jetzige Wahlsieg wird in gewisser Weise den bevorstehenden Bundestagswahlkampf der FDP nicht leichter machen.

Die SPD liegt angesichts ihres schlechtesten Ergebnisses in NRW am Boden. Wie kann jetzt der Neuanfang gelingen?

Blätte: Die Partei kann sich nicht mit einer langen Personaldebatte aufhalten. Die Bundestagswahl steht vor der Tür, die Kampagnenfähigkeit im größten Landesverband der SPD muss sehr schnell wiederhergestellt werden. Ansonsten droht ein totales Debakel im Herbst. Der schnelle Rücktritt von Hannelore Kraft eröffnet zwar neue Möglichkeiten, aber es ist noch völlig offen, wer den Übergang moderiert. Vielleicht wird es zunächst keine Lösung für die Ewigkeit geben. Aber es braucht eine starke Besetzung für die Zeit, die es jetzt zu moderieren gilt.

Welche Fehler hat die SPD denn im Wahlkampf gemacht?

Blätte: Die Kampagne hat sehr stark auf Wohlfühleffekte gesetzt. Das ging zulasten der programmatischen Inhalte. Davon tauchte nur sehr wenig auf. Die CDU hat das rot-grüne Lager hingegen bei den Themen Innere Sicherheit, Bildung und Verkehr frontal angegriffen. Dadurch waren die Sozialdemokraten in der Defensive. Hinzu kommt: Die Angreifbarkeit der Landesregierung in Management-Fragen hat sich in den letzten Wochen auch auf die sonst so guten Beliebtheitswerte für Kraft ausgewirkt. Und die SPD war nicht darauf vorbereitet, dem etwas entgegen zu stellen.

Mit der AfD wird eine ganz neue politische Kraft im Landtag sitzen. Was ist von ihr zu erwarten?

Blätte: Eigentlich weiß man noch nicht so recht, mit wem man es da zu tun haben wird. Der Landesverband ist durch innere Streitigkeiten zerrissen. Die AfD wird aber sicherlich das parlamentarische Geschäft polarisieren. Es ist mit Skandalen und Ausfällen zu rechnen. Auch muss der Landtag in etlichen Fragen neue Routinen finden, um diese rechtspopulistische Partei in die Institutionen zu integrieren. Die erste unmittelbare Debatte wird sich darum drehen, ob ein AfD-Vertreter im Landtagspräsidium sitzt. Da geht es um viel Vertrauen. Dafür gibt es bislang noch keine Grundlage.

Das Gespräch führte Christian Wolf.