Preisanstieg im Supermarkt: Wenn das Geld nur noch fürs Nötigste reicht

Stand: 19.05.2022, 06:00 Uhr

Spätestens seit Sonnenblumenöl mehr als vier Euro kostet, wird die Inflation im Supermarkt richtig spürbar. Auch andere Lebensmittel sind teurer - das trifft vor allem die, die sowieso schon wenig haben.

Von Juliane Aldag

"Ich kaufe eigentlich nur noch Grundnahrungsmittel", sagt Stefan Jungblut, 46 Jahre alt und Kranfahrer, auf dem Weg zum Supermarkt. Er habe immer aufs Geld geachtet - seit die Preise so sehr gestiegen sind, kaufe er aber nicht mehr das, was er mag. In seinem Einkaufswagen landet "nur noch, was man braucht". 

Auch Unternehmensberaterin Jackie Trinkies, 28 Jahre alt, spürt die Preisanstiege im Alltag. Sie sei nun seit zwei Jahren berufstätig und habe seitdem "immer gekauft, was ich wollte". Seit knapp einem Monat ist das nicht mehr möglich - sie achte jetzt auf Angebote und kaufe bestimmte Lebensmittel sogar nur dann, wenn sie im Angebot sind.

Preise überdurchschnittlich gestiegen 

Während Benzin an der Tankstelle oder das ständig ausverkaufte Sonnenblumenöl sehr auffällig in die Höhe schießen - steigen manche Lebensmittelpreise nahezu unbemerkt. Doch der Unterschied ist erheblich: 

Im Vergleich zum vergangenen Jahr sind die Nahrungsmittelpreise um 8,6 Prozent überdurchschnittlich gestiegen. Von März auf April stiegen die Preise für Nahrungsmittel allein um 3,6 Prozent in einem einzigen Monat, heißt es aus dem statistischen Bundesamt. 

So viel gibt jeder Haushalt pro Monat im Schnitt für Lebensmittel aus

Auch Grundnahrungsmittel werden immer teurer - und für manche Menschen nahezu zum Luxusgut. Wie viel Haushalte im Schnitt monatlich ausgegeben haben - im Verlauf der vergangenen fünf Jahre, jeweils errechnet für den Monat April.

So viel gibt jeder Haushalt pro Monat im Schnitt für Butter aus

Bei der Butter ist der Preis besonders stark angestiegen. Die Inflationsrate für dieses Produkt liegt aktuell bei 31,29 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Bei der Butter ist der Preis besonders stark angestiegen. Die Inflationsrate für dieses Produkt liegt aktuell bei 31,29 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Nudeln sind vor allem in diesem Jahr teurer geworden - knapp 50 Cent mehr pro Monat und Haushalt.

Durch den Krieg in der Ukraine wurde Sonnenblumenöl knapp - das macht sich auch bei der Preisentwicklung bemerkbar. Bei pflanzlichen Speiseöl liegt die Inflationsrate aktuell bei 36,72 Prozent. Bei den monatlichen Ausgaben macht das "nur" etwa 40 Cent aus, weil pro Monat weniger Öl als andere Nahrungsmittel gekauft wird.

Bei Eiern liegt die Inflationsrate bei 24,35 Prozent. Bei der durchschnittlich eingekauften Menge pro Monat macht das mehr als einen Euro aus.

Beim Brot ist der Anstieg im April zwar schon spürbar gewesen, aber nicht so stark wie bei anderen Produkten. Das könnte sich bald ändern. Denn der Weizenpreis ist am Montag auf ein neues Rekord-Hoch geklettert.

Während deutsche Haushalte 2018 im Schnitt fast fünf Euro im Monat für Butter ausgaben, sind es - nach Anrechnung der jährlichen Inflationsraten bei gleichbleibendem Konsum - dieses Jahr schon fast sechs Euro monatlich. Nach Zu- und Abnahme des Preisindex, kam der größte Sprung erst in den vergangenen Monaten: im April dieses Jahres gaben wir rechnerisch somit fast 1,50 Euro mehr für Butter aus als noch vor einem Jahr. Und auch für andere Lebensmittel wie Brot, Eier, Nudeln oder Speiseöl müssen Verbraucher und Verbraucherinnen tiefer in die Tasche greifen. 

Ärmere Haushalte leiden am stärksten  

Was alle beim Wocheneinkauf zu spüren bekommen, trifft ärmere Haushalte besonders. Laut des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung sorgen fehlende finanzielle Rücklagen bei steigenden Preisen dafür, dass die Betroffenen weniger einkaufen können. 

Hinzu kommt, dass besonders Grundnahrungsmittel wie Öl, Mehl oder Nudeln teurer werden. Geringverdienende leiden auch deshalb besonders unter den steigenden Preisen. 

So geben einkommensschwache Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 1.300 Euro einen deutlich höheren Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel aus als Haushalte mit einem Einkommen von über 5.000 Euro. 

Markenprodukte bleiben im Regal 

Aber nicht nur bei Menschen mit niedrigem Einkommen machen sich die steigenden Preise beim Einkaufen bemerkbar: Insgesamt wollen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland mehr Preise vergleichen und greifen häufiger zu Sonderangeboten, zeigt eine Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts ECC.

Außerdem möchten 59 Prozent der Befragten auf teurere Markenprodukte verzichten. Hersteller von Markenartikeln könnten es demnach schwieriger haben. 

Günstige Discounter werden beliebter - und Döner ist zu teuer

Auch die Wahl des Supermarktes ist betroffen: bei steigenden Lebensmittelpreisen bevorzugen viele die günstigen Discounter. So auch der 23-jährige Student Lukas Stürmer: "Wenn ich da 50 Euro ausgebe, ist meine Tasche voll - in den anderen zahle ich dafür schon deutlich mehr." Das nehme derzeit für ihn sogar solche Ausmaße an, dass er für seinen Wocheneinkauf in andere Stadtteile fährt, "weil es da ein paar Cent günstiger ist". 

Was er mittlerweile gar nicht mehr kauft? "Döner!" Denn 7,50 Euro für einen Döner auszugeben - das sehe er nicht ein. "Dafür kann ich ja mehrere Male in der Uni-Mensa essen."

Preise steigen nicht erst seit dem Ukraine-Krieg 

Handelsexperte Robert Kecskes vom Daten- und Analytikunternehmen GfK erklärt: "die Umsätze für Lebensmittel gehen auch zurück, weil die Menschen seit Ende des Corona-Lockdowns wieder häufiger auswärts essen." Und schon seit November steigen die Lebensmittelpreise deutlich an.

GfK-Handelsexperte Robert Kecskes

GfK-Handelsexperte Robert Kecskes

Hinzu kommt jetzt die Verunsicherung durch den Krieg. "Die Menschen versuchen zu sparen", so Kecskes. Und in erster Linie geschehe dies bei Lebensmitteln für zuhause. Der Lebensmittelhandel steht damit also vor einer doppelten Herausforderung.

Wie wird eigentlich festgestellt, wie genau die Preise steigen?  

Wie sich Lebensmittelpreise entwickeln, ermittelt das statistische Bundesamt. Unter anderem laufen hierfür jeden Monat ehrenamtliche Preisermittler durch die Supermärkte und notieren die Preise für Nudeln, Brot oder Eier. Welche Lebensmittel sie prüfen, bestimmt eine Art digitaler Produktwarenkorb, den das Amt vorgibt - an dem orientieren sie sich. Nicht nur Lebensmittel befinden sich darin, sondern z. B. auch Ausgaben für Energie oder Miete. 

Wird Einkaufen noch teurer? 

Ja - heißt es aus dem ifo Institut. Die befragten Nahrungsmittelhersteller gaben fast alle an, Preiserhöhungen zu planen. "Insofern ist auch in naher Zukunft mit anhaltendem Preisdruck bei Lebensmitteln zu rechnen", so der Inflationsprognostiker des ifo Institus, Sascha Möhrle. Die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise dürften "erst allmählich ihre volle Wirkung entfalten."

Inflationsprognostiker Sascha Möhrle

Inflationsprognostiker Sascha Möhrle

Die Experten machen aber auch Hoffnung: In ihren aktuellen Berechnungen gehen sie davon aus, dass sich die Energie- und Rohstoffpreise langsam beruhigen und im nächsten Jahr sogar leicht sinken könnten. Das ifo Institut erwartet daher im nächsten Jahr eine Inflationsrate von 2,8 Prozent.

Aus Sicht der vergangenen 20 Jahre sei dies immer noch überdurchschnittlich hoch, so Möhrle, doch im Vergleich zur aktuellen Inflationsrate von 7,4 Prozent immerhin eine Abnahme - die sich dann auch wieder beim Wocheneinkauf im Supermarkt bemerkbar machen würde.