Zwei Jungen werfen ihre Stimmzettel bei der U18-Wahl in die Urne

Jugend würde Union wählen

U18-Bundestagswahl

Stand: 13.09.2013, 20:24 Uhr

Bei der Bundestagswahl dürfen sie nur zugucken, am Freitag (13.09.2013) aber war ihr großer Tag: In ganz Deutschland waren Kinder und Jugendliche zur U18-Wahl aufgerufen. In 1500 Wahllokalen haben sie ihre Stimme abgegeben. Ein Wahllokal-Besuch in Düsseldorf.

Von Christian Wolf

Louis Carlos will jetzt nicht mehr warten. Der 13-Jährige möchte endlich in die Wahlkabine und sein Kreuz machen. 13-Jähriger? Wahlkabine? Kreuz machen? Ja! Neun Tage vor der "echten" Bundestagswahl sind am Freitag (13.09.2013) alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland aufgerufen, ihre Stimme bei der U18-Wahl abzugeben. Auch die achte Klasse der Düsseldorfer Hulda-Pankok-Gesamtschule ist dem gefolgt und besucht das Wahllokal direkt am Hauptbahnhof. Zusammen mit seinen Schulfreunden darf Louis Carlos zum ersten Mal an einer Wahl teilnehmen. Und er freut sich richtig darauf.

Ein Junge sitzt in einer Wahlkabine und schaut auf seinen Wahlzettel

"Ich finde es total spannend. Bislang konnte ich immer nur zugucken. Jetzt darf ich aber selber entscheiden", sagt der Junge. Schnellen Schrittes geht er zur Wahlkabine und setzt sich hin. Erst nach ein paar Augenblicken ist der Schüler fertig und hat seine beiden Kreuze für die Erst- und Zweitstimme gemacht. Jetzt noch den Stimmzettel in die Wahlurne werfen und es ist vollbracht. Louis hat gewählt. "Ich habe noch etwas überlegt, wen ich tatsächlich wählen will. Jetzt fühlt es sich richtig gut an", sagt er gut gelaunt.

Eine fast identische Wahl

Ein Stimmzettel der U18-Wahl

Etwa 61,8 Millionen Menschen in Deutschland sind in gut einer Woche aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Nicht dabei sind die Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren. Um die künftigen Wähler dennoch für Politik zu motivieren, gibt es die U18-Wahl. In bundesweit über 1.500 Wahllokalen - fast 230 in Nordrhein-Westfalen - können es die jungen Leute den Erwachsenen vormachen und der Partei ihre Stimme geben, die sie am meisten überzeugt. Alles sieht fast so aus wie bei der echten Wahl. Die Kabinen und Urnen sind eine Leihgabe der Stadt und kommen auch in einer Woche zum Einsatz. Der Stimmzettel ist fast identisch mit dem Original. Gewählt werden kann, wie bei den Erwachsenen, zwischen 8.00 und 18.00 Uhr. Danach steigen vielerorts Wahlpartys.

Klarer Sieger der Jugendwahl ist die Union. Sie kommt laut dem vorläufigen Endergebnis auf 27,4 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei landet die SPD mit 20,3 Prozent. Es folgen die Grünen mit 17,6 Prozent, die Piraten mit 12,3 Prozent und die Linke mit 7,8 Prozent. Ginge es nach den Jungwählern, wäre die FDP mit 4,6 Prozent nicht mehr im Bundestag vertreten.

Idee kommt aus Berlin

Eine Wahlhelferin erklärt einem Mädchen den Stimmzettel

Der Erfinder der ganzen Aktion ist Marcus Lehmann. Als 1995 der Wahlkampf um das Berliner Abgeordnetenhaus tobte und er in einer Freizeiteinrichtung für Kinder und Jugendliche arbeitete, kam er auf die Idee. "Mein Gedanke war, wie kann ich mit den jungen Leuten das Thema Wahl so aufbearbeiten, dass sie Lust auf Politik bekommen", erinnert er sich. Gemeinsam schauten sie sich Parteiprogramme an, begutachteten die Plakate und als krönenden Abschluss durften alle ihre Stimme abgeben. "Da habe ich gemerkt, dass sie unglaublich viel Spaß daran haben, sich tatsächlich mit Politik zu beschäftigen." Damals machten überschaubare 50 Kinder mit. Bei der Bundestagswahl 2002 waren es schon 20.000 und vor vier Jahren gaben bundesweit über 127.000 junge Leute ihre Stimme ab. Bei der neusten Auflage zählten die Organisatoren mehr als 150.000 Teilnehmern und sprechen von der "größten politischen Bildungsinitiative für Kinder und Jugendliche in Deutschland". Verschiedene Jugendverbände und andere Träger organisieren die Aktion.

Doch warum ist die Resonanz so gewaltig, obwohl die Wahl eigentlich keine Bedeutung hat? "Die jungen Menschen sind unheimlich stolz, wenn sie ihre Stimme abgegeben haben", sagt Lehmann. Die Jugendwahl gebe ihnen das Gefühl, dass sie ernst genommen würden. Dazu gehöre die Vorbereitung mit den speziell auf Kinder ausgerichteten Wahlprogrammen und einem von allen Parteien ausgefüllten Fragenkatalog. "Die Parteien bemühen sich mittlerweile sehr stark, bei den jungen Menschen anzukommen, um bei U18 gewählt zu werden."

Mehr politisches Interesse

Ein Mädchen sitzt in einer Wahlkabine und gibt ihre Stimme ab

Ihr Ziel, den Nachwuchs schon frühzeitig für Politik zu interessieren, scheint die Jugendwahl ein Stück weit zu erreichen. Zur Berliner U18-Abgeordnetenhauswahl 2011 begleitete der Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann die Aktion und befragte zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap über 1.000 Jüngst-Wähler. Das Ergebnis: Drei Viertel der Teilnehmer gaben an, dass ihr Interesse an Politik zugenommen habe. Und mehr als die Hälfte berichteten, dass sie durch U18 mehr über Politik wüssten als vorher. "Das ist die beste politische Mobilisierung, die man sich nur vorstellen kann", sagt Hurrelmann zu WDR.de. Zwar gebe es eine gewisse Distanz der jungen Leute zur organisierten Politik. Das allgemeine Interesse bestünde dennoch. "Eine unpolitische Generation ist das nicht mehr", sagt der Professor.

Für welche Themen sich die jungen Leute begeistern können, zeigt sich im Düsseldorfer Wahllokal. Bevor die Schüler an die Urne gehen, diskutiert eine Mitarbeiterin der Jugendeinrichtung mit ihnen. Auf die Frage nach den wichtigsten Anliegen kommt fast immer dieselbe Antwort: Umwelt-, Klima- und Tierschutz. Auch für den 13-jährigen Glenn steht dies ganz weit oben. Während seine Kumpels das Wahlprozedere eher locker genommen haben, war er voll bei der Sache. "Ich fand es cool, das mal auszuprobieren und jetzt weiß ich für später, wie es alles funktioniert."