Ein Glas mit Weißwein und eines mit Rotwein stehen bei der SPD-Wahlparty in der Landesgeschäftsstelle der nordrhein-westfälischen SPD in Düsseldorf vor der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen auf dem Tisch

Tränen, Stolz und Farbenspiele

Der Wahlabend bei den NRW-Parteien

Stand: 22.09.2013, 22:33 Uhr

Es gibt viele Verlierer an diesem Abend in Düsseldorf. Die Stimmung bei den meisten Wahlpartys rund um den Landtag ist bescheiden. Nur bei der CDU knallen die Korken. Aber: Mit wem soll man nun regieren?

Von Rainer Kellers

Ein Zischen ist zu hören, als um 18 Uhr die Prognose über den Bildschirm flimmert. Der Balken der FDP bleibt bei 4,8 Prozent stehen. Und für die meisten Gäste im "Marcel's" ist der Abend schon jetzt gelaufen. In der schicken Gaststätte am Düsseldorfer Rheinufer hat sich die Landes-FDP zur Wahlparty getroffen. Doch zum Feiern ist jetzt niemandem mehr zumute. Kurz noch brandet Jubel auf, weil auch die Grünen Federn lassen mussten. Doch an diesem Abend hilft nicht einmal mehr die Schadenfreude. Die Bundestagsabgeordnete Gisela Piltz hat Tränen in den Augen.

Die FDP will sich neu denken

Marco Buschmann, Generalsekretär der NRW-FDP, fällt die undankbare Aufgabe zu, Worte zu finden für die historische Niederlage. "Eine ganz bittere Stunde für den politischen Liberalismus", sagt er nach langem Zögern. Und dass ein solches Ergebnis nicht folgenlos bleiben dürfe. Was er damit meint, ist wohl klar. Parteichef Philipp Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle werden die Verantwortung übernehmen müssen. Als Nachfolger für Rösler steht Christian Lindner, der NRW-Parteichef, bereit. "Ab morgen muss die FDP neu gedacht werden", sagt er in einem Interview. Was das bedeutet, könnte sich schon am Montagabend (23.09.2013) herausstellen. Dann trifft sich der NRW-Landesvorstand in Düsseldorf.

Als der Jubel bei der CDU kurz aussetzt

Gäste verfolgen bei der CDU Wahlparty  in der CDU-Geschäftsstelle in Düsseldorf die Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen

Gäste verfolgen bei der CDU Wahlparty am 22.09.2013 in der CDU-Geschäftsstelle in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) die Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen

Zur gleichen Zeit ein paar hundert Meter weiter südlich. In der Wasserstraße ist die CDU zur Wahlparty zusammengekommen. Die Stimmung ist gut, man trägt Schlandkette und brät Würstchen. Als der Ergebnisbalken der Union immer höher wächst, bricht Jubel aus. Kaum jemand hat mit solch einem Ergebnis gerechnet. Allerdings wird es schlagartig still, als deutlich wird, dass der Union der Koalitionspartner abhanden gekommen ist. Ob es für eine absolute Mehrheit reicht, ist lange unklar. Es muss wohl ein anderer Partner her. Nur wer?

Schwarz-Grün? Gar nicht mal so ausgeschlossen

Offiziell will dazu bei der CDU natürlich niemand etwas sagen. Generalsekretär Bodo Löttgen, der hochrangigste Christdemokrat an diesem Abend in Düsseldorf, mag lieber überschwänglich den eigenen Erfolg loben. Es sei ein "sensationelles, ein historisches Ergebnis", sagt er. Mit wem auch immer man regieren werde: "Die politischen Richtlinien wird die CDU vorgeben, an uns vorbei kann in Deutschland niemand regieren." Starke Worte von einem Spitzenpolitiker eines Landesverbandes, der noch im Mai 2012 nach der Klatsche bei der Landtagswahl am Boden lag. Nun ist die CDU mit fast 40 Prozent stärkste Kraft in NRW geworden. Daraus werden sich Ansprüche ableiten. Beispielsweise auf ein Ministeramt, womöglich für Parteichef Armin Laschet. Der kann übrigens gut mit den Grünen. Und interessanterweise hört man nur wenig Protest, wenn die Sprache auf ein mögliches schwarz-grünes Bündnis kommt.

Die Grünen hadern mit den eigenen Fehlern

Zu einer Partnerschaft gehören aber bekanntlich (mindestens) zwei. Und die Grünen in NRW haben an diesem Abend zunächst anderes im Sinn, als über ein Bündnis mit dem politischen Gegner nachzudenken. "Über die Zukunft reden wir morgen im Parteirat", sagt NRW-Spitzenkandidatin Bärbel Höhn kurz angebunden. Sie steht zusammen mit anderen Spitzengrünen am Rheinufer in Düsseldorf und versucht, sich die Enttäuschung nicht zu sehr anmerken zu lassen. "Wir hatten uns mehr erhofft", sagt sie und dass es viel Gegenwind im Wahlkampf gegeben habe. Die Gründe dafür müssten die Grünen bei sich selbst suchen.

Ein nicht aufgegessenes Schnitzel und ein Bier stehen bei der SPD Wahlparty in der Landesgeschäftsstelle der nordrhein-westfälischen SPD in Düsseldorf nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen auf dem Tisch

Ein nicht aufgegessenes Schnitzel und ein Bier stehen am 22.09.2013 bei der SPD Wahlparty in der Landesgeschäftsstelle der nordrhein-westfälischen SPD in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen auf dem Tisch

Reiner Priggen, Fraktionschef im Landtag, wird noch deutlicher: "Wir haben Fehler in der Anlage des Wahlkampfs gemacht", sagt er. Es sei falsch gewesen, die Steuer- und Sozialpolitik zum Hauptthema zu machen. Besser wäre gewesen, das Kernthema der Grünen, die Energiewende, nach vorne zu stellen. Außerdem hält Priggen es für einen Fehler, sich ganz auf ein Bündnis mit der SPD festgelegt zu haben. "Wenn man keine Machtoption hat, wählen einen die Leute nicht", sagt er. Als Kritik am grünen Spitzenduo will Priggen seine Worte jedoch nicht verstanden wissen. Auch nicht als Plädoyer für Schwarz-Grün. Obwohl: Reden müsse man miteinander.

Große Koalition? Für die NRW-SPD (noch) kein Thema

Bei der SPD klingt das weitaus defensiver. Eine Große Koalition, heißt es in der Parteizentrale in Düsseldorf, sei "kein Thema". Das sei eine Aussage, keine Absage, schickt Fraktionschef Norbert Römer noch hinterher. Einleuchtender wird der Satz dadurch nicht. Und so verkniffen die Antwort des Kraft-Vertrauten wirkt, so verkniffen ist auch die Stimmung auf der Wahlparty in der Kavalleriestraße. Die SPD hat zugelegt, auch in NRW, das Wahlziel Rot-Grün aber ist klar verfehlt. Was nun kommt, scheinen die Genossen nicht recht zu wissen oder wahrhaben zu wollen.

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in der Parteizentrale in Berlin während der Bundestagswahl

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft am 22.09.2013 in der Parteizentrale in Berlin während der Bundestagswahl

"Der Ball liegt bei Angela Merkel", sagen Hannelore Kraft und Peer Steinbrück in Interviews unisono. Und weil's so schön unverbindlich klingt, sagt NRW-Generalsekretär André Stinka es gleich auch noch. Die SPD will sich also bitten lassen. Und sich möglichst teuer verkaufen. Personelle Konsequenzen aus der Wahl schließt Kraft im WDR-Fernsehen im übrigen aus: "Es gibt im Moment keinen Anlass, uns neu aufzustellen."

AFD und Piraten: Zwischen Frust und Euphorie

Apropos neu. Auch AFD und Piraten haben sich in Düsseldorf zu Wahlpartys getroffen. Zumindest bei Ersteren ist die Laune nicht ganz schlecht. "Keine neue Partei hat bislang seit 1953 so ein gutes Ergebnis erzielt. Wir haben großes Potenzial für die Zukunft", freut sich NRW-Parteichef Alexander Dilger. Dass die Partei aber wohl ganz knapp an der 5-Prozent-Hürde gescheitert ist, drückt im weiteren Verlauf des Abends dann aber doch auf die Stimmung. Bei den Piraten ist Selbige von Anfang an miserabel. "Nach der Wahl ist vor der Wahl", lässt zwar Fraktionschef Joachim Paul per Mail verbreiten. Pauls Parteifreund Michele Marsching indes schreibt bei Twitter: "Ich werde mich jetzt besinnungslos saufen."

Die Linkspartei übrigens hat in der Landeshauptstadt nicht zur Wahlparty geladen. Die gut sechs Prozent Stimmen in NRW können sich aber allemal sehen lassen. Entsprechend gut gelaunt heißt es auf der Homepage der Linken: "Es ist vollbracht, heute wird gefeiert."