Jüngster und älteste KandidatIn

Junge und alte Kandidaten

Politik ohne Altersschranken

Stand: 18.09.2013, 06:00 Uhr

Sie ist 71, er ist 18 und beide wollen in den Bundestag: Helga Daub gehört zu den ältesten und Lars Schellhas zu den jüngsten Kandidaten bei der Bundestagwahl in NRW. Ihr Alter sehen sie aber nicht als Hindernis. Stattdessen wollen die beiden mit Leidenschaft und Inhalten punkten.

Von Christian Wolf

Lars Schellhas und Helga Daub trennen 53 Jahre und komplett unterschiedliche Politikansätze. Doch eine Sache verbindet die beiden: Sie stellen sich am Sonntag (22.09.2013) zur Wahl und wollen in den Bundestag. Schellhas kandidiert mit seinen 18 Jahren als einer der jüngsten Politiker in Nordrhein-Westfalen im Wahlkreis Neuss I für die Grünen. Mit ihren 71 Jahren ist Helga Daub das passende Gegenstück. Sie ist FDP-Bundestagskandidatin in Siegen-Wittgenstein.

Noch vor einem halben Jahr ist Lars Schellhas zur Schule gegangen. Nun möchte er als Abiturient in den Deutschen Bundestag. Zu jung fühlt sich der 18-Jährige dafür nicht. Er sieht sich der Sache gewachsen. "Ich kandidiere, weil ich noch Ideale und Werte habe, die ich mit Energie und Willen umsetzen möchte", sagt er selbstbewusst. Die mangelnde Lebenserfahrung gleiche er damit wieder aus.

Der 18-jährige Lars Schellhas kandidiert für die Grünen für den Bundestag

Ganz neu ist Schellhas in der Politik nicht. Mit 15 Jahren trat er der Grünen Jugend bei, ein Jahr später folgte die Mitgliedschaft bei den Grünen. Über ein Zeitungsprojekt zum Thema erneuerbare Energien fand er den Weg zur Partei. "Meine Eltern fanden es gut, dass ich mich überhaupt politisch engagiert habe - auch wenn es mein Vater als CDUler lieber in einer anderen Partei gesehen hätte." In der Schule machten sich Mitschüler auch mal lustig über ihn. Wer sich in diesem Alter für Politik engagiert, gilt nicht gerade als 'cool'. Schellhas hat das nicht gestört. "Gerade durch mein politisches Engagement habe ich erst dieses Selbstbewusstsein bekommen, um mich durchzusetzen."

Wille zum Mitgestalten

Doch warum zieht es einen so jungen Menschen schon so früh in die Politik? "Die Politik betrifft mich heute genauso wie andere Menschen auch. Und nur weil ich noch keine 30 bin, will ich nicht über meinen Kopf hinweg entschieden haben, wie meine Zukunft aussehen soll", sagt Schellhas. Es sind Worte, die den 18-Jährigen gegenüber vielen bekannten Politikern aus dem Fernsehen so erfrischend wirken lassen. Auch hat er kein Problem damit, mal gegen die Parteilinie zu schwimmen. Das Ehegattensplitting will Schellhas getreu den Grünen zwar abschaffen, für bestehende Ehen fordert er aber einen Bestandsschutz. "Je länger man in der Politik dabei ist, desto mehr Positionen übernimmt man, ohne sie zu hinterfragen", ist sein Eindruck.

Dass dies auch auf Hermann Gröhe zutrifft, dessen ist sich Schellhas sicher. Gröhe ist CDU-Generalsekretär und kämpft genauso wie der 18-Jährige um das Neusser Direktmandat. Es ist ein Wettstreit, der ungleicher nicht sein könnte. Auf der einen Seite eine der führenden Köpfe der CDU, dessen Gesicht ständig in den Medien auftaucht. Auf der anderen Seite der Herausforderer, der keinen großen Apparat hinter hat. "Es ist ein gefühlter Kampf David gegen Goliath, aber das ist Ansporn für mich", sagt Schellhas. Über die Landesliste ist er nicht abgesichert, da er bei der Aufstellung erst 17 war. Falls es am Sonntag mit dem Direktmandat nicht klappen sollte, will der Abiturient in Aachen Maschinenbau studieren - und es dann in vier Jahren erneut probieren.

Gegen den Trend zur Verjüngung

Die 71-jährige Helga Daub kandidiert für die FDP in Siegen für den Bundestag

Für Helga Daub ist diese Bundestagswahl hingegen die letzte Chance. Trotz ihrer 71 Jahre hat sich die gelernte Hotelfachfrau von der FDP im Kreis Siegen-Wittgenstein noch einmal zur Direktkandidatin küren lassen. Ihr Alter spielte dabei keine Rolle. "Es gibt Menschen, die mit 70 noch gerne arbeiten. Ich gehöre definitiv dazu", sagt sie. Vom Trend zur Verjüngung hält Daub sowieso nichts. Viel wichtiger sei es, dass alle Altersklassen im Parlament vertreten seien. "Wir brauchen die jungen Leute zweifellos. Aber wir brauchen auch die Mischung. Die Bevölkerung wird insgesamt älter. Da kann es nicht ganz so schlecht sein, dass sie durch Menschen vertreten wird, die die Probleme kennen."

Seit 2009 sitzt Daub für die FDP im Bundestag, vorher schon von 2002 bis 2005. Gerade in den vergangenen Jahren hat sie viel erlebt. "Was wir in dieser Legislaturperiode an Themen hatten, hätte früher für drei Legislaturperioden gereicht", sagt sie mit Blick auf die Finanzkrise oder die Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima. Vor allem bei der Euro-Rettung sei es nicht immer einfach gewesen, die komplexen Zusammenhänge zu verstehen. "Das ist aber auch das Interessante an der Politik. Sie müssen sich mit Themen beschäftigen, die ihnen erst einmal gar nicht so geläufig sind."

Befürworterin einer Frauenquote

Die 71-jährige Helga Daub kandidiert für die FDP in Siegen für den Bundestag

Auch wenn zwischen dem grünen Schellhas und der liberalen Daub politische Welten liegen, sind sich die beiden gar nicht so unähnlich. Denn auch die 71-Jährige hat kein Problem damit, mal eine andere Position als die der Partei zu vertreten. Dies stellte sie in diesem Jahr bei der Abstimmung über eine Frauenquote unter Beweis. Entgegen der FDP-Position befürwortet Daub eine solche Quotenregelung. "Da hätte ich nicht ungern mit der Opposition gestimmt", gibt sie zu. Anstatt sich zu enthalten, blieb sie der Abstimmung komplett fern und kassierte für ihr unentschuldigtes Fehlen auch noch 100 Euro Strafe vom Bundestag. "Das war mir die Sache wert."

Den Schritt in die aktive Politik hat Daub laut eigenem Bekunden nie bereut. Zu sehr, das merkt man ihr im direkten Gespräch auch an, mag sie diese Arbeit. Auf die Frage, was es für die Politik brauche, sagt sie voller Überzeugung: "Geduld, ein dickes Fell und vor allem die Leidenschaft, nicht für sich, sondern für die Menschen und das Land Politik zu machen." Auch scheut sich die 71-Jährige nicht davor, im Zusammenhang mit dem Wirbel um SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück von "Mitgefühl" zu sprechen. In den Jahren im Parlament schloss die zweifache Mutter auch Freundschaften zu Kollegen aus anderen Parteien. Ohne eine Absicherung durch die Landesliste wird es diesmal wohl nicht mehr für den Bundestag reichen. Und was dann? "Dann genieße ich es, dass der Tag nicht mehr ganz so durchgetaktet ist. Ich habe dann endlich ein bisschen mehr Zeit für die Familie."