Eine Blaubeerenplantage ist überbaut mit einer Stahlkonstruktion

Solaranlagen über Obstplantagen: Grüner Strom aus der Landwirtschaft

Stand: 01.08.2022, 12:17 Uhr

Agri-Photovoltaikanlagen haben viele Vorteile: Sie erzeugen grünen Strom, machen unabhängiger von fossilen Energien und schützen die Pflanzen der Landwirte vor Folgen des Klimawandels wie Starkregen oder zu viel Sonne. Doch die Solaranlagen sind teuer, Genehmigungen kompliziert.

Von Celina de Cuveland

Die CDU in Tönigsvorst im Kreis Viersen hat sich etwas vorgenommen: Die Stadt soll zu einer Modellregion für Agri-Photovoltaikanlagen werden. Das bedeutet, dass dort Solarmodule über landwirtschaftlichen Flächen wie Beerenobst- oder Apfelplantagen errichtet würden. Sie ersetzen die klassischen Hagelschutznetze und haben gleich zwei Vorteile: Sie erzeugen erneuerbare Energien und schützen die empfindlichen Pflanzen vor zu hoher Sonneneinstrahlung, Spätfrost, Hagel oder Starkregen.

Landwirt Karl Panzer, Obstbauer in Tönisvorst, vor seiner Obstplantage

Landwirt Karl Panzer, Obstbauer in Tönisvorst, vor seiner Obstplantage

Karl Panzer ist Obstbauer in Tönisvorst. Er kann sich sehr gut vorstellen, eine Photovoltaikanlage auf seinen Flächen zu installieren. "Die Landwirtschaft war und ist Vorreiter in der Photovoltaik", sagt Panzer. "Da wir immer mehr Strom brauchen, müssen wir auch neue Wege gehen, um ihn dezentral zu produzieren."

Anlagen haben auch einen Vorteil für die Bewässerung

Anderswo gibt es solche Projekte bereits, im Kreis Viersen und Umgebung wären sie neu. In Büren in Ostwestfalen-Lippe und in Grafschaft-Gelsdorf im nördlichen Rheinland-Pfalz sind solche "Agri-Photovoltaikanlagen" oder kurz "Agri-PV" bereits im Einsatz. In Büren stehen sie über Himbeer- und Blaubeerplantagen.

Solaranlagenbauer Burkhard Hesse aus Büren vor einer überbauten Blaubeerplantage

Solaranlagenbauer Burkhard Hesse aus Büren

Burkhard Hesse ist Solaranlagenbauer aus Büren und hat die Module dort errichtet. Er erklärt, dass die Photovoltaikanlagen auch für die Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen einen Vorteil haben: "Das Bewässerungssystem dieser Plantage kommt komplett ohne externe Bewässerung aus. Das Regenwasser tropft von den Modulen herunter. Dann versickert es im Boden, wo sich eine Drainage befindet. Das Wasser aus der Drainage sammelt sich in einem Tank und anschließend wird das gesammelte Wasser wieder über Tröpfchenleitungen zu den Pflanzen geleitet."

Obst reift auch unter den Anlagen

Auch Landwirt Christian Nachtwey aus Grafschaft-Gelsdorf im nördlichen Rheinland-Pfalz ist von der neuen Photovoltaiktechnik über einem Teil seiner Apfelbäume begeistert. Die Solarmodule sind semi-transparent, sie lassen etwa 50 Prozent des Sonnenlichts durch. Die Äpfel würden auch unter den Panelen saftig rot. Acht Apfelsorten gedeihen so in der Grafschaft. Nach einiger Zeit wird dann geschaut, wie sich die Früchte dort entwickeln.

Nach Angaben des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinland-Pfalz, das das Projekt in der Grafschaft agrarwissenschaftlich begleitet, hat sich der Anbau von Beerenarten wie Himbeeren und Heidelbeeren unter Agri-PV bereits bewährt. Beim Anbau von Getreide oder Obst müsse noch mehr geforscht werden.

Bau der Photovoltaikanlagen wird teurer

Der Bau der Anlage in Büren kostete 2020 noch rund 600.000 Euro. Heute läge der Preis bei etwa 1 Million Euro, schätzt Hesse. Denn Stahl und Photovoltaikmodule sind teurer geworden. Rentieren würde sich so eine Anlage je nach Strompreis erst in bis zu 15 Jahren, so der Fachmann.

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme forscht zu Agri-PV

Das Fraunhofer-Institut Freiburg forscht zu dem Bau von Agri-PV-Anlagen, um deren Chancen, ihr Potenzial und ihre Möglichkeiten auszuloten. Dabei werden auch Herausforderungen und Hürden deutlich.

Experten sagen: Genehmigungsverfahren zu komplex

Solarwissenschaftler des Fraunhofer-Instituts sagen, Photovoltaikanlagen auf vier Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands würden ausreichen, um das Land mit Strom zu versorgen. Doch die Rahmenbedingungen würden zur Zeit noch nicht stimmen. Die Hürden für die Genehmigungsverfahren für den Bau solcher Anlagen seien schlichtweg zu hoch, das stelle gerade für kleine Betriebe ein Problem dar.