Zwei Menschen spielen die berühmte Bug-Szene der Titanic nach.

Unterwegs auf dem Rhein-Herne-Kanal: Ein bisschen Adria im Ruhrgebiet

Herne | Unterwegs

Stand: 06.08.2023, 16:07 Uhr

Gisela und Dieter Renneckendorf zieht es im Urlaub nicht nach Mallorca, Italien oder die Kanaren - sondern auf den Rhein-Herne-Kanal. Unsere Autorin war mit dem Rentnerehepaar unterwegs.

Von Solveig Bader

Die schneeweiße Salomé schaukelt ruhig im kleinen Yachthafen von Herne am Rhein-Herne Kanal. Die Sonne scheint, nur ein paar Schäfchenwolken schweben am Himmel. Perfektes Ausflugswetter, auch wenn es ein wenig windig ist. Gisela und Dieter Renneckendorf wollen heute mit ihrem Boot auslaufen und zum ehemaligen Schiffshebewerk nach Waltrop schippern.

"Leinen los, bitte ablegen!" Gisela Renneckendorf steigt vom schmalen Holzsteg ins Boot, hängt die Pfänder rein. Ihr Mann startet den Motor. Langsam lenkt der 74-Jährige sein Boot aus dem "Herner Meer". So nennen die Herner liebevoll ihren Hafen. Der Kapitän nimmt Kurs Richtung Norden zum Dortmund-Ems-Kanal.

Rhein-Herne-Kanal: Urlaubsgefühle am "Herner Meer"

Vor vier Jahren haben sich die 68-jährige pensionierte Lehrerin und der ehemalige Bergbauingenieur die Salomé gekauft. Ein acht Meter langes Schiff vom Typ "Merry Fisher", eigentlich ein Fischerboot mit einer kleinen Kajüte im Bug. Ihr Alter hat die Renneckendorfs nie daran zweifeln lassen, sich auf das Abenteuer Bootsbesitzer einzulassen. Und ihr Mut hat sich ausgezahlt.

Ein weißes Motorboot liegt mit anderen Booten in einem Hafen.

"Als wir uns für den Bootsführerschein angemeldet haben, fragte man uns: 'Melden Sie Ihren Enkel an?' ", sagt Gisela Renneckendorf lachend. Ich dachte: "Wat? Sind wir Ihnen etwa zu alt? Denen haben wir es gezeigt, nicht Dieter? Mit null Fehlern haben wir bestanden, besser als alle anderen."

Entschleunigung pur

Mit 12 Stundenkilometern tuckern die Renneckendorfs über den Kanal. Schneller ist nicht erlaubt, auch wenn der Außenborder der Salomé 115 PS zu bieten hat. Theoretisch könnten sie damit etwa die vierfache Geschwindigkeit erreichen. Damit die Böschungen durch die Wellen nicht zerstört werden und weil viele Paddler und Berufsschiffe unterwegs sind, müssen sie langsam fahren. Erst geht es an großen Industrieanlagen vorbei, doch je weiter sie Richtung Schiffshebewerk fahren, desto grüner wird es.

Eine Frau in weißem Cardigan mit schwarzen Streifen sitzt im Führerstand eines Motorboots und lächelt.

"Man muss aufpassen, dass man nicht über Angelschnüre fährt", meint Kapitän Renneckendorf und grüßt Angler und vorbeifahrende Radler, die auf der Schottertrasse am Ufer unterwegs sind. Kein Frachtschiff weit und breit. Das kommt selten vor. Heute haben sie den Kanal fast für sich alleine.

Auf dem Kanal gefühlt ganz weit weg

"Das ist schon idyllisch, einfach herrlich", sagt Gisela Renneckendorf. "Wenn wir manchmal mit Freunden unterwegs sind, die das Ruhrgebiet nicht kennen, denken die, hier sei noch ein Schlot neben dem anderen. Dann haben wir sie auf die Halde nach Herten geschleppt und denen mal gezeigt, wie grün es hier ist." Nach einer knappen Stunde löst sie ihren Mann ab. Gleich, hinter der Kurve, erreichen sie ihr Ziel: den Yachthafen Schiffshebewerk Henrichenburg. "Anlegemanöver sind eher mein Ding, Dieter fährt lieber gerade aus."

Plötzlich taucht eine Bucht auf, die idyllischer nicht sein kann. An den Ufern des spitz zulaufenden Hafens stehen grüne Bäume, das Wasser schimmert in dunklem grün. Der Blick bleibt an dem großen, grün-stählernen Gebilde mit zwei Steintürmen davor hängen. Es ist das ehemalige Schiffshebewerk, das heute ein Museum ist. Vor dem gläsernen Yachtclubhaus machen sie ihr Boot fest.

Zeit für Picknick und Planschen

Zeit für eine Stärkung. Gisela Renneckendorf holt Wurst, Käse und Butter aus dem Bord-Kühlschrank, als beide feststellen, dass ihr Mann die Brötchen auf der Rückbank im Auto hat liegen lassen. Sie nehmen es gelassen. Hauptsache es gibt Kaffee – frisch gekocht im Alukessel auf dem Zweiplattenkocher.

Zeit für ein kurzes Bad bleibt beim Aufenthalt am Yachthafen auch noch. 22,3 Grad warm ist heute das Wasser. "Fast so warm wie die Adria", sagt Dieter Renneckendorf und schwimmt ein kleines Stück durch die Bucht. "Und das Wasser ist sauber, das glaubt uns keiner", sagt er.

Auf dem Boot ist es für beide einfach am Schönsten

00:24 Min. UT Verfügbar bis 14.07.2025

"Folge deinem Traum" ist eine der vielleicht abgegriffensten Floskeln überhaupt. Aber Gisela und Dieter Renneckendorf haben es mit ihrem Bootsführerschein einfach gemacht. Und in diesen Momenten merken sie, wie sehr es sich gelohnt hat. Danach geht es zurück zum Heimathafen, ans "Herner Meer". Ganz gemütlich mit 12 Stundenkilometern.

Über dieses Thema berichteten wir auch am 05.07.2023 im WDR Fernsehen: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.