Chahin steht vor seiner alten Wohnsiedlung

"Duisburg ist Teil meiner DNA": Warum diesen Comedian seine Heimat nicht loslässt

Duisburg | Heimatliebe

Stand: 10.04.2024, 07:58 Uhr

Auf der Bühne spricht Comedian Abdul Kader Chahin gern über seine Heimatstadt Duisburg. In der Ruhrgebietsstadt stört ihn vieles. Trotzdem bleibt er. Warum?

Von Jakob Schiffer

Backstage in einem Duisburger Club: Der Raum ist karg eingerichtet, wirkt eher wie ein improvisierter Aufenthaltsbereich. In einer Ecke stehen 30 graue Klappstühle, aufgereiht auf einem Rollwagen, in der anderen ein Kühlschrank mit Softdrinks und Bier. Dazwischen sitzt Abdul Kader Chahin und isst einen Flammkuchen vom Buffet.

Der 31-Jährige testet heute neues Comedy-Material bei einer Lesebühne in seiner Heimatstadt. Das Publikum ist klein, Chahins Stimmung entspannt.

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An diesem Abend spricht der Comedian vor allem über seine Heimat: "Duisburg ist die Stadt, wo wirklich jeder Traum sein Ende findet." Über den Werbeslogan der Stadt, der eigentlich #duisburgistecht lautet, sagt er: "Unverschämtheit, was die Stadt da macht. Weil ich denke mir, da fehlt wenigstens ein Wort: 'Scheiße'."

Duisburg: Eine Hassliebe

Vermeintliche No-go-Areas und Straßenzüge im Duisburger Norden, in die sich angeblich nicht einmal mehr die Polizei traut. Dazu eine Arbeitslosenquote von 13,1 Prozent. Im NRW-Durchschnitt sind es 7,6 Prozent. Das Image von Duisburg ist schlecht. Das mit den Straßenzügen und den No-go-Areas ist vor allem Panikmache und Populismus. Trotzdem kämpft sich die Stadt seit Jahrzehnten am Strukturwandel ab. Und an der klammen Stadtkasse.

Auch viel von Chahins Blick auf Duisburg ist geprägt von Frust: "Meiner Meinung nach hat Duisburg als Ruhrgebietsstadt viel zu wenige kulturelle Angebote." Als Künstler war es für ihn nicht leicht, in der Szene Fuß zu fassen. Kaum kulturelle Angebote heißt auch: kaum Möglichkeiten, aufzutreten. "Künstlerisch wäre ich in jeder anderen Großstadt besser aufgehoben."

Abdul Kader Chahin steht vor seinem alten Zuhause

Abdul Kader Chahin steht vor seinem alten Zuhause

Trotzdem fühlt sich Chahin in seiner Heimat wohl. Er ist in Neumühl im Duisburger Norden aufgewachsen und wohnt dort bis heute. "Duisburg ist Teil meiner DNA und das wird auch immer so bleiben. Meine ganzen Leute leben immer noch in meinem Stadtteil."

Andauernde Existenzängste

Der Stadtteil Neumühl ist international geprägt, mehr als 40 Prozent der rund 18.000 Einwohner haben einen Migrationshintergrund. Chahin ist einer von ihnen. Seine Eltern sind Palästinenser und vor seiner Geburt nach Deutschland gekommen.

Heute nutzt der 31-Jährige seine Lebenserfahrung nicht nur für lustige Themen. Seit langem spricht er sich öffentlich gegen Antisemitismus aus und arbeitet an verschiedenen Bildungsprojekten mit.

Obwohl er in Deutschland geboren ist, hat er erst seit drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft. Vorher war er staatenlos. "Du hast kontinuierlich Existenzängste. Man fühlt sich nicht wie ein Mensch, der dazugehört in der Gesellschaft. Für mich war es sehr viel wert, dass ich damals endlich eingebürgert werden konnte."

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Grund ist das komplizierte Einbürgerungsgesetz. Denn für in Deutschland geborene Kinder mit ausländischen Eltern - wie Chahin es damals war - ist es schwierig, die Staatsbürgerschaft zu bekommen. Dafür muss ein Elternteil mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben und über eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung verfügen. Insgesamt waren Ende 2022 über 126.000 Menschen in Deutschland als staatenlos registriert oder hatten eine ungeklärte Staatsangehörigkeit.

Nicht bloß lustig, sondern auch politisch

Im Alltag führte das oft zu Einschränkungen - zum Beispiel bei Reisen, der Eröffnung eines Bankkontos oder der Bewerbung für Kita- oder Studienplätze. "Mein Bruder hatte sein Abi und wollte studieren. Aber mit dem Aufenthaltstitel, den wir damals hatten, durfte er das nicht", erinnert sich Chahin. Erfahrungen wie diese sind ein Grund, warum sein Programm nicht nur lustig, sondern auch politisch sein soll.

Im Herbst startet er sein erstes eigenes Soloprogramm: "Wir haben viel mehr auf Social Media gemacht. Und das hat dank des Algorithmus dazu geführt, dass alles nochmal steiler gegangen ist." Auf Instagram erreicht er mit politischen Satire-Videos über 47.000 Follower.

Über das Thema haben wir am 14.03.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Duisburg, 19.30 Uhr.