Semhar Berhes - Gewinnerin des Root-Preis

Integrationsminister Laschet übergibt "ROOTS"-Preis

Semhars Taschengeld für Eritrea

Stand: 12.01.2007, 15:59 Uhr

"Du stellst zu viele Fragen," hat ihr Großvater Semhar manchmal aufgezogen. Von wegen: Weil sie so viel gefragt und herausgefunden hat, ist die 15-jährige Eritreerin am Freitag (12.01.07) für ihren Beitrag im Funkhaus Europa-Wettbewerb "ROOTS" ausgezeichnet worden.

Aufgeregt? "Und wie!" Semhar Berhes Augen leuchten - in etwa einer halben Stunde beginnt die Preisverleihung im Filmraum ihrer Schule, der Hauptschule Kogelshäuserstraße in Stolberg. Aufgeregt war die Achtklässlerin auch, als sie vor kurzem von ihrem Preis erfahren hat: "Zuerst war ich ganz still, weil ich das gar nicht glauben konnte. Aber dann habe ich zuhause getanzt und laut gesungen - bis meine Eltern irgendwann meinten: Jetzt aber mal ein bisschen leiser!"

An diesem Tag sind Semhars Eltern auch etwas aufgeregt. Stolz sitzen sie zwischen den Klassenkameraden ihrer Tochter, den Lehrern und den Journalisten von Funkhaus Europa, die den Wettbewerb im vergangenen August ins Leben gerufen haben.

Über 100 Jugendliche spürten ihren Wurzeln nach

Wo komme ich her? Warum haben meine Eltern oder Großelten ihre Heimat verlassen? Mit dem Wettbewerb "ROOTS - Die Geschichte deiner Familie" rief Funkhaus Europa Hauptschüler aus Einwanderer-Familien in NRW auf, sich auf die Suche nach ihren Wurzeln zu begeben. Über 100 Jugendliche sandten Beiträge über ihre Spurensuche ein. Elf Geschichten wurden als Radioreportagen gesendet, die vier besten davon wiederum von einer Fachjury ausgewählt.

Semhars Geschichte - spannend, dramatisch, auch traurig

Auch Semhars Geschichte ist darunter - übrigens ist sie eine "alte Häsin" in Sachen Spurensuche. Schon als Neunjährige begann sie, ihre Verwandten zu löchern. "Mir ist es wichtig zu wissen, zu wem ich gehöre, und außerdem finde ich Geschichte spannend," erklärt die Schülerin. Und ihre Geschichte ist besonders spannend, dramatisch - und zum Teil auch traurig. Weil in Eritrea über 30 Jahre lang Krieg herrschte, sind viele ihrer Verwandten geflohen, auch ihre Eltern. Ihr Vater flüchtete bereits kurz nach ihrer Geburt. Ob und wo er lebt, weiß Semhar nicht. Ihre Mutter hat inzwischen wieder geheiratet, seit rund drei Jahren lebt Semhar bei ihr in Deutschland. Wer, woher, wohin, wann, warum - das alles hat die Schülerin akribisch recherchiert.

Laschet: "Bereicherung für unser Land"

"Habt Ihr mal gesehen, was Semhar da alles aufgeschrieben hat, was sie geleistet hat?" fragt Jona Teichmann, Programmchefin von Funkhaus Europa, die Klassenkameraden bei der Preisverleihung. "Wir von Funkhaus Europa haben uns darüber geärgert, dass über Hauptschulen so oft negativ geredet und berichtet wird. Und wir wollten mit dem ROOTS-Wettbewerb zeigen, dass an Hauptschulen eben auch sehr spannende Sachen passieren und dass es tolle Leute dort gibt." So viele interessante Geschichten seien eingesandt worden - "das würde ich gern mal einigen Politikern zeigen."

Ein Politiker ist an diesem Tag schon mal da: "ROOTS"-Schirmherr und NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) ist begeistert vom Wettbewerb: "Das, was die heutige Preisträgerin zum Beispiel aufgeschrieben hat, ist für mich eine irre spannende Geschichte." Und Menschen mit solche Zuwanderungsgeschichten, so Laschet, seien etwas Besonderes. "Sie sind eine Bereicherung für unser Land, weil sie etwas mitbringen: Geschichten aus ihren Heimatländern, die nicht vergessen werden sollten."

Hip Hop und Radio statt Mathe und Deutsch

Als der Minister Semhar gratuliert und ihr den Preis überreicht, freuen sich alle aus der 8b mit ihr. Denn jetzt stellt sich heraus: Am Montag fällt der Unterricht aus! Statt Mathe, Bio oder Deutsch gibt es als Preis für Semhars ganze Klasse einen Hip Hop-Workshop und eine Radiowerkstatt. Eine zweite Belohnung bekommt Semhar aber noch für sich allein: ein Preisgeld von 300 Euro, das sie für einen besonderen Plan spart. Im Sommer möchte sie allein zu ihren Verwandten nach Eritrea reisen. Und dann kann die Schülerin, die am liebsten Historikerin werden würde, wieder ihre Tanten, Onkel und Großeltern löchern - bis es heißt: "Semhar - du fragst zu viel ..."

Weitere Preisverleihungen im Januar

Die drei weiteren "ROOTS"-Gewinner werden ebenfalls noch im Januar ausgezeichnet: Der 15-jährige Ahmed bekommt seinen Preis am 18.1. in der August-Macke-Schule in Bonn, der 17-jährige Eduard reist mit seiner Klasse von der Anne-Frank-Schule in Gronau am 25.1. zum WDR nach Köln, und der 16-jährige Alexej wird am 29.1. in der Hauptschule Brüderstraße in Iserlohn geehrt.