Schweißübungen bei Opel

Arbeit. Heimat. Opel.

Interview zu Opel-Dokumentarfilm

Stand: 13.12.2012, 00:00 Uhr

Die Autoproduktion bei Opel in Bochum endet 2016. Trotz der düsteren Aussichten schleifen und bohren sich sechs Azubis zum Industriemechaniker. Die Filmemacher Michael Loeken und Ulrike Franke haben die Lehrlinge zwei Jahre lang begleitet. WDR.de sprach mit ihnen über Träume, Hoffnungen und Ängste der Jugendlichen.

Die Filmemacher Michael Loeken und Ulrike Franke beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Ruhrgebiet, der Landschaft und den Menschen. In "Losers and Winners" zeigten sie, wie 400 chinesische Arbeiter im Ruhrgebiet die Kokerei Kaiserstuhl in Einzelteile zerlegten und in ihre Heimat verschifften. Für den Dokumentarfilm erhielten sie 2009 den Grimme Preis. In "Arbeit Heimat Opel" porträtieren die Kölner Filmemacher die Lehrlinge Jerome, André, Sinan, Tim, Marius und Marcel, die 2009 ihre Ausbildung zum Industriemechaniker bei Opel in Bochum begonnen haben. Alle sechs Jugendlichen gehören zur Ausbildungsgruppe des Industriemechanikers Achim Kranz, der seine Schützlinge liebevoll "meine Blagen" nennt. Der Film begleitet die jungen Auszubildenden vom Start ins Berufsleben bis zur Zwischenprüfung. Entstanden ist die WDR-Produktion im Rahmen des Kulturhauptstadtprojekts "Next Generation".

WDR.de: Wie sehr hat Sie beschäftigt, was mit Opel passiert?

Die Filmemacher Ulrike Franke (li.) und Michael Loeken (re.)

Die Filmemacher Ulrike Franke (li.) und Michael Loeken (re.)

Michael Loeken: Opel ist im Ruhrgebiet so eine große Sache, dass man automatisch ein Ohr dran hat, was da passiert und die Nachrichten darüber verfolgt. Außerdem hat uns die Idee vom Schauspiel Essen sehr interessiert, etwas mit Jugendlichen zu machen, die in der Industrie ausgebildet werden - und das auf dem Hintergrund eines Industriezweigs, der in gewisser Weise schwankt, wenn man es vorsichtig ausdrückt.

WDR.de: Wie haben Sie die Jugendlichen wahrgenommen?

Ulrike Franke: Ich war zunächst erstaunt, wie jung die Auszubildenden eigentlich sind. Mit 16 Jahren habe ich noch andere Sachen gemacht, da musste ich nicht um vier Uhr morgens aufstehen und durchs halbe Ruhrgebiet fahren, um dann um sieben Uhr so eine relativ harte Arbeit zu beginnen. Alle - und das hat mich sehr beeindruckt - waren total heimatverbunden und sehr stark im Ruhrgebiet verwurzelt. Auch ihre Wünsche und Träume sind einem sehr nahegegangen. Dass ein Lebenstraum darin besteht, nicht arbeitslos werden zu wollen, das lässt schon wahnsinnig tief blicken.

WDR.de: Welche Entwicklungen konnten Sie in diesen zwei Jahren beobachten?

Ausbilder Kranz im Gespräch mit Jerome

Sein Kollege Jerome, hier mit einem Ausbilder

Loeken: Man sieht, wie diese jungen Gesichter plötzlich zu Erwachsenen werden. Sie haben mit großem Elan angefangen und haben den großen Optimismus auch beibehalten. Aber: Sie haben trotzdem immer mehr den Ernst der Lage erkannt. Ein Stück weit sind ihre Träume zurechtgerückt geworden. Es wird ihnen auch klar, dass alles was sie erreichen möchten, nicht einfach automatisch läuft.

WDR.de: Wie wirkte die Krise auf die Auszubildenden?

Loeken: Sie beschäftigen sich nicht so damit. Sie blenden das ein Stück weit aus, wahrscheinlich auch aus Selbstschutz. Aber in ihrer Gesamtentwicklung denke ich schon, dass ihnen der Ernst der ganzen Situation – nämlich eine Ausbildung zu machen und später Arbeit zu finden – immer bewusster wird.

WDR.de: Bohren, schleifen, drehen - was haben Sie in den zwei Jahren gelernt?

Meister Achim Kranz (r.) mit seien Schützlingen, den Filmemachern Ulrike Franke und Michael Loeken sowie WDR-Redkateurin Jutta Krug

Meister Achim Kranz (r.) mit seien Schützlingen, den Filmemachern Ulrike Franke und Michael Loeken sowie WDR-Redkateurin Jutta Krug

Franke: Ich habe mich einfach in meine Zeit als Jugendlicher zurückversetzt gefühlt. Als man noch nicht wusste, worauf läuft es hinaus, wo werde ich landen. Diese Zeit der extremen Unsicherheit. Der Wunsch von zu Hause auszuziehen oder auch so eine Figur wie den Meister Kranz, das sind Dinge, die hat jeder Mensch in seinem Leben erlebt. Die berühren die Menschen, ganz egal, ob das im Opel Werk ist, in einer Ausbildungsstätte oder in einer Grundschule.

WDR.de: Wird man nach diesem Film selbst zum Opelaner?

Franke: Ich bin kein Opelaner (lacht). Nicht die Marke spielt für mich eine wichtige Rolle, sondern das Zugehörigkeitsgefühl. Opel gehört absolut zum Ruhrgebiet. Dieses Schreckenszenario, wenn Opel in Bochum wegbrechen würde, was passieren würde. Es ist einfach ein wahnsinniges Stück Identität. So habe ich das auch bei den Jungs gesehen. Die fühlen sich nicht als Opelaner, weil sie einen Manta fahren, sondern, weil es ein Stück Identität für sie ist.

Loeken: Das Interessante ist, wie sehr der Traum und der Wunsch, was die Zukunft angeht, mit der Arbeit zusammenhängen und wie man daraus seine Identität zieht. Die Landschaft, die Menschen und was da vor sich geht, sind das Spannende. Es passieren ja entscheidende Sachen in der Region, die letztlich auch für das gesamte Land gültig sind.

WDR.de: Wie wird die Zukunft der Sechs aussehen?

Franke: Ich denke, die müssen sich auf viele Wechsel und viele Unsicherheiten einstellen. So wie der Meister es den Jungs auch gesagt hat: Sie müssen sich bewegen, sie müssen dahingehen, wo es Chancen gibt. Das steht natürlich im Widerspruch zu ihrer Heimatverbundenheit. Sie müssen sehr kreativ sein, um einen Weg zu finden, dass sie nicht in der Leiharbeit landen.

Das Gespräch führte Simone Maurer

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